Kritik zu Poison – Eine Liebesgeschichte
Der Tod des gemeinsamen Sohns brachte sie einst auseinander, nun treffen sie sich nach Jahren wieder: Désirée Nosbusch verfilmt in ihrem Regiedebüt ein Theaterstück mit Tim Roth und Trine Dyholm in den Hauptrollen
Wie verarbeitet man tragische Verluste? Die unterschiedlichen Antworten auf diese Frage können Menschen entzweien. So wie Edith (Trine Dyrholm) und Lucas (Tim Roth), die lange glücklich verheiratet waren; doch als vor zehn Jahren ihr Sohn bei einem Autounfall starb, zerbrach darüber ihre Ehe. Nachdem sie jahrelang nichts voneinander gehört haben, lässt eine angekündigte Grabverlegung sie am Friedhof wieder aufeinandertreffen.
Es dauert, bis der Film die Hintergründe enthüllt. Désirée Nosbusch lässt sich in ihrem Spielfilmdebüt viel Zeit. Zunächst bestimmen Schweigen und Unsicherheit die Begegnung, die Anspannung ist greifbar. Ganz langsam entsteht ein Dialog, in dem sich die Vergangenheit entfaltet und alter Schmerz und Ungesagtes zur Sprache kommen.
Lucas, der die Trauer hinter sich lassen und wieder nach vorn blicken wollte, verließ Edith von einem Tag auf den anderen. War das ein legitimer Ausbruch, um zurück ins Leben zu finden, oder doch ein rücksichtslos egoistischer Schritt? Steckte Edith tatsächlich zu sehr in ihrer Trauer und in der Vergangenheit fest? Der Film lässt die Standpunkte mit allen Ambivalenzen aufeinanderprallen und entfaltet darüber einen ganz allgemeinen Diskurs über Formen der Trauerbewältigung, in dem man sich für Ediths Perspektive aber noch etwas mehr Raum gewünscht hätte.
Als Vorlage diente das Theaterstück »Gift – Eine Ehegeschichte« von Lot Vekemans. Inszenierungen von diesem gestalteten sich in der Regel als klassische Kammerspiele, ohne Szenenwechsel und großes Bühnenbild, ganz konzentriert auf die Dialoge und die Dynamik der Figuren. Nosbuschs Filmadaption folgt dieser Konzentration, aber sie ist zwangsläufig damit konfrontiert, dem Drama auch eine Bildsprache hinzuzufügen. Kamerafrau Judith Kaufmann (»Das Lehrerzimmer«, »In Liebe, Eure Hilde«) fängt beeindruckende Aufnahmen vom Friedhof und der umliegenden Umgebung ein (Drehort war die luxemburgische Gemeinde Vianden). Besondere Bedeutung bekommt das Wetter, das im Laufe des Films von nasskalt zu strömendem Regen und schließlich zart warmen Sonnenstrahlen wechselt und so eine unverwechselbare Atmosphäre schafft; das stetige Geräusch von Wasser, sei es durch Regen oder den nahen Bach, unterstützt dies.
Zusätzlich zu den immer wieder eingeblendeten Panoramaaufnahmen lässt Nosbusch ihre Protagonisten stetig die Räume wechseln: Vom Vorraum des Friedhofs geht es zu den Toiletten, in die Kapelle, ins Auto und schließlich zu einem Spaziergang nach draußen. Das sorgt für visuelle Abwechslung, erschließt sich aus der Handlung allerdings nicht immer und untergräbt teilweise das Gefühl der Anspannung, das Nosbusch zunächst aufgebaut hat. Vielleicht auch deshalb wirkt gerade das Spiel von Tim Roth ein wenig so, als würde er krampfhaft versuchen, die Emotionen seiner Figur hervorzubringen. Nahegehen dürfte »Poison – Eine Liebesgeschichte« dennoch vielen. Besonders berührend wird der Film interessanterweise gerade dann, wenn der Streit von Edith und Lucas abebbt und sich in ein gemeinsames Trauern verwandelt.
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