Kritik zu Larry Crowne
In Tom Hanks’ zweiter fürs Kino entstandener Regiearbeit, zu der er auch zusammen mit Nia Vardalos das Drehbuch geschrieben hat, tritt er selbst als Mann auf, der sich mit Mitte 50 noch einmal neu erfindet
Change – Veränderung, Wandel. Das war das große Stichwort in Barack Obamas Präsidentschaftswahlkampf. Es hatte damals, das ist jetzt gerade einmal drei Jahre her, die Vereinigten Staaten wie ein Lauffeuer erfasst und die Menschen mit einer übermächtigen, wenn auch eher vagen Hoffnung erfüllt. »Yes, we can« war das überall erklingende Bekenntnis. Inzwischen ist von der großen Hoffnung auf Wandel nicht mehr viel übrig. Angesichts der Entwicklungen der vergangenen Jahre und der Enttäuschungen, die sie mit sich gebracht haben, geht von Tom Hanks’ Larry Crowne etwas beinahe schon Anachronistisches aus. Vor drei oder vielleicht auch noch zwei Jahren wäre diese liebevolle, in einem sanften Rhythmus dahinfließende Komödie sicherlich der Film der Stunde gewesen. Doch heute ist sie mit ihrem ungebrochenen Optimismus und ihrem leisen, aber nachdrücklichen »Ja« zu Veränderungen, zu einem ganz anderen Entwurf von Leben und Glück, fast eine Irritation – und damit umso anregender.
Larry Crowne hat eigentlich nie viel über sein Leben nachgedacht. Alles hat sich irgendwie ergeben und war zugleich auch durch den mythischen American way of life vorgezeichnet. Nach der High School ist er zur US Navy gegangen und hat als Schiffskoch zwanzig Jahre lang die Meere der Welt befahren. Nach seinem Ausscheiden aus der Armee hat er einen Job als Filialleiter bei einer Supermarktkette bekommen und ist ganz in ihm aufgegangen. Irgendwann im Lauf all der Jahre hat Larry dann geheiratet, ein Haus gekauft und ist schließlich auch wieder geschieden worden. Aber das Haus wollte er unbedingt behalten, also hat er seine Exfrau ausgezahlt. Nun sitzt er auf einem Berg von Schulden, was an sich schon schlimm genug wäre. Doch dann verliert er auch noch seinen Job.
Statt zum neunten Mal zum Mitarbeiter des Monats ernannt zu werden, wird Larry entlassen. Die Leitung der Kette trennt sich von ihm, weil er nie ein College besucht und damit auch keine Aufstiegsmöglichkeiten in dem Unternehmen hat. Plötzlich steht der etwa 50-Jährige vor dem Nichts, also beschließt er, einige Kurse am Gemeindecollege zu belegen – eine Entscheidung, mit der sich alles für ihn verändern wird. Zum einen ist da seine von Julia Roberts gespielte Rhetorikprofessorin Mercedes Tainot, die längst jede Lust am Unterrichten verloren hat, aber trotzdem Larry ungeheuer inspiriert. Zum anderen lernt er auch noch die eigenwillige und mitreißende Talia (Gugu Mbatha-Raw) kennen, die ihn, den mehr als doppelt so alten Kommilitonen, wie selbstverständlich unter ihre Fittiche nimmt.
Wie Larry, den er auch selbst in der mittlerweile für ihn so typischen Art verkörpert, also mit dieser an die Stars des alten Hollywoods erinnernden Mischung aus höchster Gelassenheit und absoluter Sachlichkeit, interessiert sich auch Tom Hanks nicht im geringsten für modische Trends und Haltungen. Er scheint gleichsam mit seiner Figur in einer Zeit stehen geblieben zu sein, in der noch alles in Ordnung in Amerika war. Aber gerade dieser etwas naiv anmutende Glaube an alte, ansonsten längst vergessene Werte macht Hanks empfänglich für andere Sichtweisen und Perspektiven. Die Zeit, die er sich für die Einführung seiner Figuren und ihrer Welten nimmt, hat im heutigen Kino fast schon etwas Revolutionäres. Er ordnet sich der in Hollywood vorherrschenden Dramaturgie nicht unter, ganz im Gegenteil: Er verweigert sich jeder Form von Erzählökonomie.
Die Geschichten von Larry und Mercedes, die in einer unglücklichen Ehe mit dem erfolglosen Schriftsteller und Blogger Dean Tainot (Bryan Cranston) feststeckt, laufen lange Zeit mehr oder weniger parallel nebeneinander her. Zudem werden sie noch immer wieder von kleinen Momenten und Szenen überlagert, in denen Nebenfiguren wie Larrys enorm geschäftstüchtiger Nachbar (Cedric The Entertainer) oder Mercedes’ beste Freundin Frances (Pam Grier) mit einmal ins Zentrum des Geschehens treten. Nichts wird forciert, alles entwickelt sich, ganz so wie das echte Leben mit seinen unzähligen Wendungen. Dabei findet Hanks zu einer neuen, beglückenden Freiheit und Leichtigkeit. Change, das ist für ihn nicht nur ein Wort, sondern ein Prinzip, das er mit jeder Einstellung seines Films praktiziert und feiert.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns