Kritik zu Kick Off Kirkuk
Fußball als Hoffnung: Der irakisch-kurdische Regisseur Shawkat Amin Korki zeigt einen von ethnischen Spannungen beherrschten Ort im Irak
Kirkuk liegt im Norden des Irak, in einem Gebiet, das von kurdischen, arabischen, assyrischen und türkischstämmigen Menschen besiedelt wird. Dass Kirkuk auch das Zentrum der irakischen Ölindustrie ist, weckt Begehrlichkeiten, die gewaltsam ausgetragen werden. Und beides zusammen macht den Ort zum Weltschauplatz jener ethnischen Problemlagen, die in geopolitischen Verwerfungen resultieren.
Hier hat der Regisseur Shawkat Amin Korki, selbst irakischer Kurde, seinen Film »Kick Off« gedreht. »Kirkuk 2008« lautet das erste Insert, womit der Film nach dem Ende von Saddam Husseins Repressionen gegen die Kurden verortet wäre, nicht aber nach dem Ende der Gewalt. »Kick Off Kirkuk« spielt in einem Fußballstadion, das von kurdischen Rückkehrern bewohnt wird, denen kein Wohnraum zur Verfügung steht. Zu Beginn kommt der Junge Diyar aus dem Krankenhaus heim; er hat, wie in einer Rückblende gegen Ende des Films gezeigt wird, beim Fußballspielen sein rechtes Bein verloren. Diyar wohnt bei seiner Mutter, gemeinsam mit dem älteren Bruder Asu, der zu den wenigen Männern gehört, die in den Notunterkünften hausen: Krieg und Vertreibung haben eine Gesellschaft aus Kindern, Müttern und Alten zurückgelassen.
Fußball fungiert in »Kick Off Kirkuk« als Metapher für Hoffnung. Nicht nur weil der Globalsport das Häufchen Marginalisierter mit der Welt verbindet – Diyars Zimmer schmücken Ronaldo-Plakate, selbstverständlich tragen die Kinder »Henry«- oder »Zidane«-Trikots –, sondern vor allem, weil der sportliche Wettstreit eine Zivilisierung der nationalen Streitigkeiten verspricht. Asu und sein Freund Sako organisieren ein Public Viewing des Asienmeisterschaftsfinales von 2008, in dem ausgerechnet der Irak Saudi-Arabien mit 1:0 besiegte. Eines Tages werde die kurdische Hymne gesunden, träumt Sako zu Beginn, als die Mannschaften im Fernsehen zum musikbegleiteten Eröffnungsritual Aufstellung nehmen. Die Zurückstellung ethnischer Differenzen zugunsten des regelhaften Mannschaftssports bringt Asu auf die Idee, selbst ein Turnier zu veranstalten, in dem die Parteien der lokalen Auseinandersetzungen, Kurden, Araber, Assyrer und Türken, mit eigenen Mannschaften auflaufen. Diese Idee ist in ihrer Einfachheit verführerisch, weil der Pragmatismus des Freizeitsports die konstruierten Nationalcharaktere ad absurdum führt: Als sich der kurdische Torwart verletzt, bietet sich der türkische als Ersatz an.
In Anlage und Inszenierung ist »Kick Off Kirkuk« ein simpler Film. Er setzt auf Typen, grobe Gefühle und einfache Gags. Die zarte Liebesgeschichte zwischen Asu und Helin bleibt unfertige Andeutung, wie die Dramaturgie mit einer deprimierenden finalen Pointe im Ganzen etwas unstimmig zu sein scheint. Der ästhetische Reiz von »Kick Off Kirkuk« fällt ab gegenüber seinem Mut und seinem Willen, die man nicht zu gering veranschlagen darf: Wenn man weiß, dass die Drehbedingungen des Films kongruent sind mit der Realität der allgegenwärtigen Bedrohung, die er behandelt, dann darf man zu dem Schluss kommen, das Wichtigste an diesem Film sei, dass es ihn überhaupt gibt.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns