Kritik zu Ghosted
Der erste Spielfilm der Hamburger Ausnahmeregisseurin Monika Treut seit achtzehn Jahren ist ein romantisches Mysterydrama um drei Frauen aus Taiwan und Deutschland, angesiedelt zwischen den Welten und Kulturen
Die zurückhaltende Ai-ling (Huan-Ru Ke) möchte mehr über ihre Herkunft erfahren und erbettelt von ihrer besorgten Mutter (Yi-Ching Lu) in Taipeh die Erlaubnis, ihren Onkel Chen Fu (Jack Kao) in Hamburg zu besuchen, um mehr über ihren toten Vater herauszufinden. Sie beginnt, in Chens Restaurant zu arbeiten und Hamburg zu entdecken. Fünf Monate später sehen wir die Hamburger Videokünstlerin Sophie Schmitt (Inga Busch), die im Rahmen ihrer Installation »Remembrance « in Taipeh Aufnahmen ihrer unter mysteriösen Umständen verstorbenen Geliebten Ai-ling präsentiert. Eine Journalistin namens Mei-li (Ting-Ting Hu) führt die Künstlerin durch ihre Fragen zurück in ihre Vergangenheit mit Ai-ling: Wie sie sich kennenlernten, in Sophies Apartment zusammen wohnten, sich entfremdeten. Mei-lis Annäherungen wehrt Sophie, noch in Trauer, ab.
Immer tiefer dringt der Film in die Intimität des Vergangenen und Verlorenen ein. Die unterschiedlichen Mentalitäten der Frauen schaffen einen Graben, aus dem Sophie kurzerhand ausbricht, indem sie einer Internetkünstlerin (Nai Wen Chang) nach Berlin folgt und Ai-ling einsam zurücklässt. Sophies Nachbar Leon (Marek Harloff) kann ihr kaum helfen, und der kurze Flirt mit einer anderen Frau (Jana Schulz) führt zur Katastrophe. Mei-li folgt Sophie nach Hamburg und kann sie für sich einnehmen. Doch ein Geheimnis bleibt, das die vermeintliche Journalistin mit der Toten Ai-ling verbindet. Was eine klassische schwarzromantische Wiedergängergeschichte sein könnte, offenbart immer weitere Ebenen, bis die Existenz Mei-lis infrage steht. »Ghosted« beginnt und endet mit einem Ritual zur Besänftigung der ruhelosen Geister: In einem brennenden Gefäß vor malerischer Naturkulisse werden den Ahnen im siebenten Monat Geldscheine geopfert. So zyklisch wie diese Rahmung ist der Film strukturiert: Er erzählt von Reisen und Passagen, von Erkenntnis und Geheimnis, von Leben, Kunst, Erinnerung. Und natürlich von der Liebe und ihrem schmerzlichen Verlust.
Nicht zufällig ist die deutsche Protagonistin eine Videokünstlerin – denn so hat Monika Treut selbst ihre Karriere in den 1970er Jahren begonnen. Bekannt wurde sie mit »Verführung – Die grausame Frau« (1985) und der femininen Sexualodyssee »Die Jungfrauenmaschine« (1988). Nach der New Yorker Subkulturkomödie »My Father Is Coming« (1991) wandte sie sich dem dokumentarischen Film zu. So ist »Ghosted« auf vielerlei Weise ein neuer Weg, den Treut beschreitet: ein Spielfilm mit Genreelementen – vom Melodram bis zum Mysterythriller und Geisterfilm. In reduzierter, klarer Bildsprache, verschachtelter Montage und mit dezentatmosphärischer Musikuntermalung entfaltet der Film das unaufgeregte Bild einer lesbischen Dreiecksbeziehung über den Tod hinaus. Dabei werden exotistische Klischees entlarvt und gegen den Strich gebürstet. Nach zwei Dokumentarfilmen über Taiwan (»Made in Taiwan« und »Den Tigerfrauen wachsen Flügel«) hat »Ghosted« einen neuen, starken Frauentypus in Fernost entdeckt, dem der Zuschauer zusammen mit der Protagonistin verfallen wird. So ist »Ghosted« eine mutige Neuorientierung der Autorenfilmerin Monika Treut – und eine spannende Selbstreflexion zugleich.
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