Kritik zu Genug gesagt

© Fox Searchlight

In Nicole Holofceners »romantischer Komödie« treffen mit Julia Louis-Dreyfus und James Gandolfini zwei beziehungserfahrene Menschen aufeinander, die versuchen, es besser zu machen

Bewertung: 4
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4 (Stimmen: 4)
Sich mit Mitte, Ende vierzig nach einer vor langen Jahren geschiedenen Ehe auf eine neue Beziehung einzulassen, ist ein kompliziertes Unterfangen. Denn in jedem ersehnten Neuanfang wird die Möglichkeit des Scheiterns und anderer partnerschaftlicher Abnutzungserscheinungen gleich mitgedacht. In ihrer romantischen Komödie Genug gesagt geht Nicole Holofcener (Please Give, Friends with Money) den widerstrebenden Gefühlen auf den Grund, die mit dem Beginn einer Liebe zweier einschlägig erfahrener Menschen einhergehen. 
 
Nach der Scheidung hat sich Eva (Julia Louis-Dreyfus) als alleinerziehende Mutter tapfer durchs Leben geschlagen. Zu Beginn begleitet der Film die kleine, drahtige Masseurin, die mit einer unhandlichen, zusammenklappbaren Liege von einem Kunden zum nächsten fährt, durch ihren Arbeitsalltag in Los Angeles. Schnell gewinnt sie unser Herz. Das hat etwas mit der forschen Art zu tun, mit der Eva durchs Leben geht, mit ihrem unschlagbarem Humor, der vor Selbstironie nicht zurückschreckt, und mit der Art, wie sie in Fettnäpfchen tritt und ungelenk wieder herausstolpert. 
 
Als sie Albert (James Gandolfini) auf einer Party kennenlernt, ist das nicht unbedingt die Liebe auf den ersten Blick, aber schon bald findet sie Gefallen an dem korpulenten, etwas schlampigen Kerl, der ihr mit Witz und Aufrichtigkeit begegnet. Genau wie Eva hat auch Albert eine Tochter, die das Nest bald verlassen und weit weg aufs College gehen wird – ein Einschnitt, der gerade alleinstehende ­Elternteile besonders hart trifft. Die heranna­hende Einsamkeit macht das Bedürfnis nach einem neuen Lebenspartner umso dringlicher, schaltet aber nicht die Sicherheitsmechanismen aus, mit denen Eva ihren potenziellen Mann für die zweite Lebenshälfte einer Tauglichkeitsprüfung unterzieht. Auf der Party hat Eva nicht nur Albert kennengelernt, sondern auch Marianne (Catherine Keener), die mit ihr Massagetermine ausmacht und Eva schon bald die Freundschaft anbietet.
 
Marianne ist Poetin, telefoniert regelmäßig mit Joni Mitchell und hat ein Eigenheim von einschüchternder Schönheit (Eva: »Alles ist so hübsch. Kann ich hier einziehen?«). Außerdem ist Marianne, wie sich bald herausstellt, Alberts Exfrau und das, was sie über ihren früheren Lebensgefährten auf der Massageliege berichtet, ist alles andere als schmeichelhaft. Eva lässt es geschehen, erwähnt weder gegenüber Marianne ihre Beziehung zu Albert, noch umgekehrt. Sie nutzt die intimen Auskünfte der Freundin als Informations­quelle, auf deren Basis sie die langfristige Beziehungskompatibilität mit ihrem neuen Geliebten abzuschätzen versucht – und vergiftet damit das Verhältnis zu Albert. 
 
Von alledem erzählt Holofcener im Gewand einer klassischen Screwball-Comedy, die, was Schnelligkeit, Eloquenz und Witz der Dialoge angeht, den Vergleich mit den historischen Vorbildern nicht scheuen muss. Die Art, wie sich Eva zunehmend um Kopf und Kragen redet, erinnert an die verbale Dynamik eines Films von Woody Allen, bei dem Holofcener vor fast dreißig Jahren als Cutterin in die Lehre gegangen ist. Innerhalb kürzester Zeit gelingt es Holofcener eine ungeheure Vertrautheit zur weiblichen Hauptfigur herzustellen, indem sie mit liebevoller Genauigkeit den Charme und die menschlichen Schwächen ihrer Alltagsheldin aufzeigt. 
 
Umso wirkungsvoller entfalten sich dadurch die Vertrauenskrisen, die sich zwischen Albert und Eva nach einer vielversprechenden, romantischen Aufwärmphase entwickeln. Auch hier sind es die Kleinigkeiten des Alltags, über die von der amourösen Destabilisierung erzählt wird. Dass der Mann keinen Nachttisch neben dem Bett stehen hat, wird unter Mariannes propagandistischem Einfluss zur absurden Sollbruchstelle in der Beziehung zwischen Eva und Albert. Aus zahllosen, genau beobachteten Details speist sich der eigensinnige, humorvolle und bittersüße Erzählton dieser romantischen Komödie für Erwachsene, der nichts mit dem tragikomischen Waagschalenverfahren zu tun hat, mit dem das Genre üblicherweise arbeitet. »I’m tired of being funny«, sagt Eva zu Albert, als sie zum ersten Mal zusammen im Bett sind, und lässt sich in seinen Arm sinken – und für einem Moment kann man einer klugen Komödie beim Atemholen zuschauen.

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