Kritik zu Ein Sommer in New York
Thomas McCarthy verknüpft Befindlichkeit und Betroffenheit: Ein verwitweter College-Professor freundet sich mit einem Paar illegaler Einwanderer an
In einigen Jahren wird man einmal mit Interesse auf Hollywoods filmischen Output während der Bush-Jahre zurückblicken. Die Filme, die unter dem Eindruck des »Kriegs gegen den Terror« entstanden, spiegeln die turbulenten Zeiten wider, in denen eine Nation Selbstheilung suchte. Aber so komplex sich die gesellschaftlichen Befindlichkeiten gestalteten, so durchwachsen war oft auch die Qualität des therapeutischen Programms, das sich Hollywood in den vergangenen Jahren verordnete. Thomas McCarthys zweiter Spielfilm »The Visitor« nimmt hier einen besonderen Platz ein, weil er die Genese eines ganzen Landes in einer privaten aufgehen lässt.
Richard Jenkins, bekanntgeworden als Familienvater in der Serie »Six Feet Under«, spielt Walter Vale, einen Wirtschaftsprofessor, der sich nach dem Tod seiner Frau sehr zurückgezogen hat. Zu seinen Studenten kann er keine Beziehung mehr herstellen, und zu Hause starrt er zum Klavierspiel seiner verstorbenen Frau versonnen aus dem Fenster.
Walters Leben erfährt eine Wendung, als er für eine Konferenz nach New York zurückkehrt und in seiner dortigen Wohnung ein Pärchen vorfindet. Der junge Syrer Tarek und seine Freundin Zainab leben illegal in den USA; er verdient sich seinen Lebensunterhalt als Straßenmusiker, sie verkauft selbstgemachten Schmuck. Walter bietet den beiden an, vorübergehend in seiner Wohnung zu bleiben – eine Wohngemeinschaft, wie es sie nur im wohlmeinenden amerikanischen Independentkino geben kann. »Wohlmeinend« ist hier das Schlüsselwort. Die kulturelle Annäherung zwischen dem introvertierten Ostküstenintellektuellen und dem Jungen aus Syrien wirkt mitunter allzu klischeehaft. Dank Tarek findet Walter seinen »inneren Rhythmus« wieder; kurz darauf sitzen sie mit einer Trommelgruppe im Park. Aber die politischen Verhältnisse holen ihre Freundschaft schnell auf den Boden der Realität zurück. Die Einwanderungsbehörden greifen Tarek auf und stecken ihn in ein Internierungslager. Walter bleibt sein einziger Kontakt zur Außenwelt.
Jenkins' zurückhaltende Darstellung, die ihm im vergangenen Jahr eine Oscarnominierung einbrachte, bewahrt »The Visitor« vor den Gefahren des message movie. McCarthy, der wie schon in »The Station Agent« auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, gibt sich etwas zu bemüht, den politischen Subtext seiner Geschichte hervorzuheben. Seine Kritik an einer allgegenwärtigen Regierung, die sich nicht um die Persönlichkeitsrechte des Menschen schert, findet vornehmlich Ausdruck in programmatisch zugespitzten Szenen. Jenkins balanciert die latente Empörung des Drehbuchs immer wieder elegant aus. Seine stille Melancholie hieven McCarthys reichlich naives Plädoyer für kulturelle Verständigung auf eine sehr greifbare, persönliche Ebene. In der zaghaften Annäherung zwischen Walter und Tareks Mutter findet »The Visitor« dann auch weit überzeugenderes Anschauungsmaterial. Die Bürde der politischen Instrumentalisierung beschädigt McCarthys Film unnötigerweise. Doch die Schwächen des Drehbuchs lassen Jenkins' Stern umso heller erstrahlen.
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