Kritik zu Der Lehrer, der uns das Meer versprach

© 24 Bilder

Die spanische Regisseurin Patricia Font erzählt auf zwei Zeitebenen zwischen 1936 und 2010 von der schwierigen Vergangenheitsbewältigung in ihrem Land

Bewertung: 3
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Schon im Titel schwingt die Wehmut mit. Man ahnt, dass es allein beim Versprechen blieb und dass es wohl nicht am Lehrer gelegen hat. Es gibt unzählige, in der Regel sehr gegenwärtig erzählte Filmgeschichten über Lehrer, die auf Lehrpläne und Regeln pfeifen, um alternative Wege zu gehen, mit denen sie ihre Schüler inspirieren und zur Sprengung der Grenzen ermuntern. Dies ist nur zu Teilen eine solche Geschichte, denn die spanische Regisseurin Patricia Font schlägt über 75 Jahre hinweg eine Brücke zwischen Historie und Gegenwart, von einem engagierten Lehrer in der spanischen Provinz an der Schwelle zum Bürgerkrieg im Jahr 1936 zu einer jungen Mutter, die 2010 die Ereignisse von damals erforscht, um den familiären Panzer des Vergessens, der Verdrängung aufzubrechen.

Viele fortschrittliche und liberale Ideen wurden ab 1936 in Spanien in einem Meer aus Blut weggeschwemmt, als nach dem Militärputsch ein dreijähriger Bürgerkrieg durchs Land fegte, an dessen Ende die bis 1975 währende Franco-Diktatur etabliert war. Danach dauerte es ein Vierteljahrhundert, bis ab 2000 die sterblichen Überreste der Opfer aus den Massengräbern geborgen wurden und einige der Nachkommen späte Gewissheit bekamen. So ein Anruf von einer Ausgrabungsstelle erreicht eines Tages auch die junge Mutter Ariadna (Laia Costa, die 2015 als Victoria im gleichnamigen Film bezauberte), nur so erfährt sie überhaupt davon, dass ihr Großvater lange Zeit nach seinem in einem von Francos Gefängnissen verschwundenen Vater gesucht hat. Instinktiv ahnt sie, dass dieses Familiengeheimnis, über das niemand spricht, die Ursache für die dunklen Schatten auf ihrer Psyche sein könnten. Gegen den Willen ihrer Mutter zieht es sie aus Barcelona an die Ausgrabungsstelle im Dorf, wo ein alter Herr – in einer etwas plumpen Drehbuchidee – wissen lässt, dass hier auch Katalanen wie sie erschossen worden seien. Damit beginnt für Ariadna eine detektivische Suche auf den Spuren der verschütteten Familiengeschichte. Ihr Urgroßvater war Klassenkamerad eben jenes alten Herrn, der Ariadna angesprochen hat, und gemeinsam waren sie Schüler eines besonderen Lehrers, der ihnen, die alle das Meer noch nie gesehen hatten, einen Klassenausflug dorthin versprach.

Selten hat man Spanien so kalt, abweisend und unwirtlich gesehen, eine klamme Kühle droht die Bilder zu ersticken, nur der junge Lehrer Antoni Benaiges, der in der spanischen Provinz eintrifft, um eine einfache und ziemlich heruntergekommene Schule in einen Abenteuerspielplatz zu verwandeln, verströmt ein wenig Wärme und Licht mit seinem Elan. Schnell verschwindet das Kreuz von der Wand, darauf angesprochen plädiert er für die Trennung von Schule und Kirche, auch sonst hat er ein paar kommunistische Ideen, über die die Dorfbewohner die Stirn runzeln. Und statt die Kinder mit Schlägen und eiserner Disziplin zum Erwachsenwerden zu triezen, ermuntert er sie dazu, Kinder zu sein, spielerisch zu lernen, und schweißt sie zur Gemeinschaft zusammen.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt