Kritik zu Das Licht, aus dem die Träume sind
Pan Nalin erzählt in diesem »Cinephilgood-Drama« von der eigenen cinephilen Sozialisation zu analogen Zeiten in der Provinz von Gujarat
Für einen Angehörigen der Kaste der Brahmanen gehört es sich nicht, Vergnügen zu haben an den Freizeitbeschäftigungen von Krethi und Plethi. Ein Kinobesuch kommt also nur dann infrage, wenn der Film mit einem angemessenen Thema aufwarten kann, also beispielsweise von einer Göttin handelt. Und es ist eine dieser raren Gelegenheiten, als die ganze Familie im nächsten größeren Ort ins Kino »Galaxy« geht, um einen Film über Kali zu sehen, bei welcher sich der achtjährige Samay in die siebte Kunst verliebt, Hals über Kopf und ganz und gar. Vater Bapuji, der weit unter seiner Standeswürde arbeitet und die Seinen mit einem kleinen Imbiss am Bahnhof gerade so über die Runden bringt, sieht das mit Missfallen. Der Rohrstock ist nicht weit, wenn Samay sich mal wieder einer kinobezogenen Verfehlung schuldig macht: wenn er beispielsweise die Schule schwänzt, um sich ins Lichtspielhaus zu schleichen, und dort obendrein noch erwischt wird. Die Schande! Was für ein missratener Sohn!
Dabei aber ist Samay – den der kleine Bhavin Rabari mit Feuer und Flamme und sehr viel Charme auf die Leinwand bringt – ungeheuer fantasievoll und erfindungsreich. Dergestalt, dass in einer Ruine im benachbarten Geisterdorf mit der Zeit ein Kino entsteht, das Samay gemeinsam mit seinen gleichfalls nicht auf den Kopf gefallenen Freunden bastelt, inklusive Projektor und Livevertonung. Da fällt sogar Bapuji der Rohrstock aus der Hand.
Der Verleih bewirbt »Das Licht, aus dem die Träume sind«, eine indisch-französische Koproduktion, die Pan Nalin in seiner Heimatregion Kathiawad in der Provinz Gujarat gedreht hat, als »Cinephilgood-Drama«. Eine Wortschöpfung, die der Sache durchaus gerecht wird. Und Drama deswegen, weil gegen Ende die Digitalisierung auch im »Galaxy« Einzug hält. Im Zuge dessen kommt es zu Szenen, die niemand kaltlassen werden, der/die sich noch an das sanfte Rattern aus den Vorführräumen erinnern kann. Als nämlich Samay den Lastwagen, auf dem der Projektor aus dem Kino abtransportiert wird, bis in die nächste Großstadt verfolgt, sieht er, wie dort in einem Recycling-Hof die Vorschlaghämmer gnadenlos auf die verdienten alten Maschinen niedergehen, während Filmrollen in riesigen Bottichen eingekocht werden. Dann blutet nicht nur Samay das Herz, dann werden auch der nostalgisch gestimmten Zuschauerin die Augen feucht. Der Projektor wird sich in billige Löffel verwandeln und die Filmrollen in Armreifen aus Plastik. Aus der Zauber – willkommen, schöne neue Welt!
»Das Licht, aus dem die Träume sind« handelt von der Freude am Geschichtenerzählen mittels Bildern, die durch das Licht zum Leben erweckt werden; und die Fabulierlust ist es denn auch, der die Dramaturgie gehorcht. Episodisch und farbenprächtig geht es über Stock und Stein, allzeit bereit, sich von neuen Einfällen auf Nebenpfade lenken zu lassen. Kaleidoskopartig setzt sich so eine das Pathos nicht scheuende Ode an die analoge Vorführtechnik zusammen, in der sich zugleich eine tief empfundene Liebe zur Filmkunst ausdrückt.
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