Kritik zu Bulb Fiction

© Farbfilm

2011
Original-Titel: 
Bulb Fiction
Filmstart in Deutschland: 
31.05.2012
L: 
90 Min
FSK: 
6

Viele Menschen empfinden ein diffuses Unbehagen gegenüber dem kalten Licht der Energiesparlampen. Der österreichische Filmemacher Christoph Mayr zeigt nun, dass die gefühlte Skepsis auch ihre rationale Berechtigung hat

Bewertung: 4
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Mayr beginnt seine eindringliche filmische Argumentation mit einem klassischen Betroffenheitsansatz. Historischen Aufnahmen einer Quecksilberkatastrophe im japanischen Minamata aus dem Jahre 1953 folgt der Besuch einer Familie in Bayern, deren vierjähriger Sohn nach dem Kontakt mit einer zerbrochenen Energiesparlampe unter Haarverlust und regelmäßigen Zitterschüben leidet. Nach diesem zunächst etwas spekulativ wirkenden Auftakt findet der Film zu seinem analytischen Modus, untersucht das Produkt der Kompaktleuchtstofflampe aus verschiedensten Blickwinkeln heraus und legt parallel dazu die politischen Entscheidungsprozesse frei, die zur zwangsweisen Einführung des zweifelhaften Erzeugnisses führten.

Auf beiden Seiten kommt der Film zu alarmierenden Ergebnissen. Von der Quecksilbergefahr im Haushalt über die ungelösten Entsorgungs- und Recyclingprobleme bis hin zur negativ ausfallenden Lichtanalyse zeigt der Film eine ganze Bandbreite von eklatanten Negativeigenschaften der Energiesparlampe, durch die der gesamteuropäische CO2-Ausstoß gerade einmal um 0,4 Prozent minimiert wird – eine im globalen Maßstab vollkommen marginale Quote. Interessanter noch als die Produktkritik fällt allerdings die Analyse der politischen Entscheidungsprozesse aus. Am Beispiel des Glühlampenverbots beleuchtet Mayr die Anfälligkeit der undurchsichtigen Strukturen in Brüssel, wo 23 000 EU-Kommissionäre einem Heer von 20 000 Lobbyisten gegenüberstehen. Der Film verweist darauf, dass die zwangsweise Einführung der Kompaktleuchtstofflampe keineswegs in einem parlamentarischen, sondern in einem sogenannten Komitologieverfahren von einer Arbeitsgruppe aus EU-Beamten, Vertretern von NGOs und der Industrie beschlossen wurde. Dass gerade die Lichtindustrie auf eine lange Tradition der Marktmanipulation zurückblicken kann, verdeutlicht der Film am Beispiel des Kartells, in dem sich die Hersteller in den 30er Jahren international auf eine verkürzte Lebenszeit ihrer Glühbirnen geeinigt haben. Auch Greenpeace kommt in dem Entscheidungsprozess eine unrühmliche Rolle zu, denn deren Vertreter haben in der Kommission mit kurzsichtigen Argumenten das Glühlampenverbot zur Profilierung ihrer Organisation genutzt. In seiner ebenso umfangreichen wie messerscharfen Analyse zeigt Mayr exemplarisch die Manipulierbarkeit des politischen Systems auf, das hier elementare Verbraucher- und Bürgerinteressen zum Spielball des Profitstrebens der Konzerne werden ließ.

Auch wenn Mayr sein Anliegen unmissverständlich ausformuliert und sich im Schlussbild der Wolframdraht in der Glühbirne zur geballten Faust formt, ist aus der Dokumentation kein plattes politisches Pamphlet geworden. Vielmehr reiht sich Bulb Fiction ein in die Reihe österreichischer Dokumentarfilme wie We feed the World und Plastic Planet, die im Kino engagiert, kundig und kritisch auf politische Zusammenhänge verweisen, die in einer zunehmend homogenisierten Medienlandschaft nicht mehr aufgegriffen werden.

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