Kritik zu Bis aufs Blut – Brüder auf Bewährung
Von den zwiespältigen Segnungen der günstigen Sozialprognose: Oliver Kienle gewann mit seinem Debütfilm auf dem Festival in Saarbrücken den Publikumspreis
Der Vorspann von Oliver Kienles Film mit dem vagen und zugleich überdeterminierten Titel »Bis aufs Blut – Brüder auf Bewährung« ist durchaus spannend: Innerhalb kürzester Zeit, ambitioniert geschnitten, wird hier schon fast eine Jugend durchdekliniert.
»Bis aufs Blut« handelt von den Freunden Tommy (Jacob Matschenz) und Sule (Burak Yiğit), die sich an einer Bushaltestelle kennenlernen und durchaus ungleich sind. Tommy ist der Bürgersohn, der seinen Vater nicht kennt, aber eine Therapeutenmutter (Simone Thomalla) hat, Sule der Waise mit Migrationshintergrund. Tommy besucht das Gymnasium, Sule die Hauptschule, beide dealen mit Drogen, und irgendwann, da geht der Film dann los, landet Tommy, der mit der Schulschönheit Sina was hat, im Gefängnis. Ein Verrat, der niemals richtig aufgeklärt wird, weshalb man schon deshalb nicht recht versteht, wieso das Projekt einen Drehbuchpreis gewonnen hat. Man versteht es zum anderen nicht, weil der Film langatmig und umständlich von einer Jugend in Würzburg erzählt, wo im Migrationshintergrund immer auch noch amerikanische Soldaten warten.
Erstlingsfilme wie der des Ludwigsburger Absolventen Kienle sind selten perfekt – oft schon deshalb, weil sie in ihren meist autobiografisch geprägten Stoff verliebt sind und übermütig ihre Stärke beweisen wollen. Aber leider ist »Authentizität« auch oft nur eine schlechte Ausrede für mangelndes Formbewusstsein, zumal in der Inszenierung von »krassem Leben« und flotten Sprüchen. »Bis aufs Blut« hat bedauerlicherweise auch kein Verhältnis zu der Gewalt, die der Film pausenlos inszeniert (»Fick dich, du Schlampe«), kennt Erwachsene nur als Karikaturen (neben Simone Thomalla Peter Lohmeyer als rauchender Schuldirektorenkumpel) und behandelt den Migrationsdiskurs wie die »Bild«-Zeitung: Der hehre Tommy kommt mit günstiger Sozialprognose davon, während Sule, um den es dann auch nicht mehr schade ist, als Schwerverbrecher drei Jahre hinter Gitter muss.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns