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»The Mandalorian« (Staffel 1, 2019). © Disney+
Ein Fremder ohne Namen taucht auf einem Eiswüstenplaneten am Rande der Galaxis auf. Der titelgebende Mandalorianer ist Angehöriger einer Kaste von Kopfgeldjägern, mit Wurzeln in japanischen Samurailegenden und italienischen Spaghettiwestern-Mythen. Mando, wie er in zärtlicher Kose-Abkürzung immer wieder genannt wird, ist der beste seiner Zunft, ein wortkarger Krieger, der auch die schwierigsten Aufträge in kürzester Zeit meistert. Nach dem Fall des Imperiums, in der »Star Wars«-Zeitlinie zwischen »Das Imperium schlägt zurück« (1980) und vor »Das Erwachen der Macht« (2015) angesiedelt, werden die Aufträge rar. Ein besonders lukrativer, entsprechend schwieriger Job wird von einem ehemaligen General des Imperiums vergeben, der in einem finsteren Betonhöhlenbau residiert. Gespielt wird er von Werner Herzog, der mit seinem eigentümlichen Sprachduktus in den USA als Darsteller zum Kult geworden ist. Das Zielobjekt sei 50 Jahre alt, heißt es, und sollte vorzugsweise lebend, zur Not auch tot übergeben werden.
»The Mandalorian« ist die erste Realfilmserie aus dem »Star Wars«-Universum und das Prestigeobjekt des neuen Disney+-Streamingdienstes. Für rund 15 Millionen Dollar pro Folge wurde die Serie von Jon Favreau entwickelt, der spätestens seit »Iron Man« den Ruf hat, auch roboterhafte Superhelden mit Charisma auszustatten, mit dem perfekten Mix aus Action, Gefühl und cool lakonischer Schlagfertigkeit. Darüber hinaus hat er sich bei Disney mit gelungenen Realverfilmungen der Animationsklassiker »Dschungelbuch« und »König der Löwen« empfohlen.
Favreau kommt daher als einer, der sich als Erwachsener das Herz des kleinen Jungen bewahrt hat, für den der Kopfgeldjäger Boba Fett in seiner Mandalorianer-Rüstung eine Schlüsselfigur im »Star Wars«-Universum war, obwohl er darin nur eine vergleichsweise kleine Rolle spielte. Die neue Serie bewegt sich an den geografischen Rändern der Galaxie und des erzählerischen Universums, ganz ohne Jediritter und Rebellenaristokratie, ohne Lichtschwerter und Raumpaläste. Stattdessen erforscht sie die Orte, die in den Kinoerzählungen nur am Rande gestreift wurden: all die dunklen Bars und Kaschemmen, wuselnden Märkte, entlegenen Außenposten und Undergroundverstecke, die von galaktischen Gaunern, Hehlern und Söldnern bevölkert werden, und von Warlords, die das Vakuum der Machtverhältnisse nutzen. Weil es keine neuen Waffen und Fahrzeuge auf dem Markt gibt, werden alte Vintagemodelle erfinderisch zusammengeflickt. Es gibt jede Menge Zitate für »Star Wars«-Fans, gleichzeitig bleibt die Serie als archaische Western-und Samuraigeschichte universell zugänglich.
So zieht Mando also in der ersten Folge los, um einen mysteriösen Auftrag zu erfüllen. Mit einem Kopfgeldjägerdroiden zusammen stürmt er ein Wüstenfort, das an die Festung eines mexikanischen Drogenpaten erinnert. Nach einem furiosen Gemetzel im Stil eines Peckinpah-Westerns öffnet sich ein weißes, schwebendes Wiegenei und gibt den Blick auf ein faltiges, kleines grünes Baby frei, mit großen schwarzbraunen Augen und neugierig lauschenden Segelohren. Das Wesen, das fortan »das Kind« genannt wird, und allem Anschein nach derselben Spezies angehört wie der alte Jedimeister Yoda, streckt Mando eine winzige Hand mit drei kleinen Fingerknubbeln entgegen und berührt damit die Spitzen seiner Metallfinger in etwa so wie Gottes Sohn den Vater auf Michelangelos Deckenbemalung der sixtinischen Kapelle. Ein mythischer Moment, der die ganze beziehungslose, einzig an den Code der Gilde gebundene Existenz des Mandalorianers infrage stellt. Ein kleines Wunder, das der Science-Fiction-Actionserie Herz und Seele verleiht, dem Mandalorianer eine höhere Bestimmung und seinem Darsteller Pedro Pascal (»Game of Thrones«, »Narcos«) die Möglichkeit, auch durch seine metallene Rüstung und seinen Helm, den er niemals abnehmen darf, Gefühle durchschimmern zu lassen.