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Gerhard Midding

Die Idee von den zwei Körpern des König geht auf Juristen am Hofe von Queen Elizabeth I. zurück. Sie unterschieden zwischen dem natürlichen, konkreten und dem übernatürlichen, ideellen Körper des Monarchen. Der eine ist sterblich, der andere nicht. In dieser Vorstellung verschmelzen Religion und Staatslehre; mit gewissen Einschränkungen lässt sie auf die Demokratie übertragen, die ebenfalls eine Unterscheidung zwischen Amt und realer Person kennt.

Gerhard Midding

Das Leben konnte in seinen Filmen an den unmöglichsten Orten entstehen. Neugeborene konnten aus Kohlköpfen und Bambusrohren geborgen werden. Und anscheinend besitzt die Mär vom Klapperstorch auch in Japan Gültigkeit, denn in »Meine Nachbarn, die Yamadas« transportiert ein frohgemuter Schwarm Nachwuchs in stattlicher Zahl. Obwohl mich die Formation der Kindesüberbringer ein wenig an die amerikanischen Bomberstaffeln aus »Die letzten Glühwürmchen« erinnert, die Tod und Verwüstung über Japan bringen.

Gerhard Midding

Seine Vorliebe für den Vornamen Hélène erklärte Claude Chabrol einmal damit, es sei der einzige, zu dem es keine maskuline Variante gibt. Ihn faszinierte die nicht übertragbare, die exklusiv feminine Identität. Bereits mit der Namensgebung verlieh er seinen Heldinnen Souveränität.

Gerhard Midding

Eine der verführerischsten Torheiten, die je über das Kino verbreitet wurden, ist Francois Truffauts Behauptung, die Begriffe Kino und England seien eigentlich unvereinbar. Im Gespräch mit Alfred Hitchcock unterstellte er dem englischen Nationalcharakter eine gewisse Filmfeindlichkeit. Er sei zu reserviert und kleinbürgerlich; selbst Landschaft und Klima schienen dem Franzosen jedweder filmischen Inspiration im Wege zu stehen.

Gerhard Midding

In gewissen Pariser Kinos finde ich mich gern schon eine Weile vor Filmbeginn ein. Ich tue es aus gewissermaßen doppelter Schaulust. Das gilt nicht für diejenigen, in denen das aktuelle Programm läuft. Aber in den Sälen im Quartier Latin und in St. Germain, die fast ausschließlich Reprisen zeigen, studiere ich gern das Publikum.

Gerhard Midding

"Nun wissen wir mehr als vorher", sagte der ältere Herr, der neben mir saß. Ich nickte ihm zu, nicht zuletzt, weil mir gefiel, dass aus seinen Worten weder Ironie noch Ehrfurcht klangen. Sie waren ein Bekenntnis nüchterner Zufriedenheit. Wir hatten gerade im Saal Jean Epstein einen Vortrag über den eminent nostalgischen Zug gehört, den der Referent im US-Kino der Kriegs- und Nachkriegszeit ausgemacht hatte.

Gerhard Midding

Ihr Staunen über die Neue Welt ist groß. Ständig fragen sich die Reisenden aus der Schweiz, ob das alles nun reale Menschen sind oder nicht doch Schauspieler aus Hollywood. Diese Frage ist schon berechtigt, wenn man am Roulettetisch in Las Vegas lauter Männer in riesigen Cowboyhüten erblickt und vor den einarmigen Banditen lauter Damen unter der Trockenhaube.

Gerhard Midding

Der Titel dieses Festivals hat eine ansehnliche Herkunft. »Toute la mémoire du monde« (»Das Gedächtnis der Welt«) heißt einer der schönsten Kurzfilme von Alain Resnais, der poetisch die Bestände der Pariser Nationalbibliothek ausspäht. Ein solcher Titel hängt die Messlatte hoch – und in diesem Fall auch weit.

Gerhard Midding

Am Anfang stand ein Missverständnis, und kurz darauf folgte ein deutliches Nein. Dennoch wurde daraus eine Zusammenarbeit und Freundschaft, die vier Jahrzehnte andauerte. Und wäre Audrey Hepburn nicht schon 1993 gestorben, hätte Hubert de Givenchy gewiss noch viele weitere Roben für sie entworfen.

Gerhard Midding

Aus gegebenem Anlass möchte ich eine Äußerung in meinem Eintrag vom 24.2. (»Terror des Buchstäblichen«) relativieren. Dort bezeichne ich Quoten als eine »sehr deutsche, sehr bürokratische Strategie«. In diesem Punkt liege ich nicht ganz richtig. Sie sind ebenfalls ein sehr europäischer Impuls.