Retrospektive: King Vidor
Die Berlinale in ihrem 70. Jahrgang: Eine neue Leitung. Endlich wieder eine Personen-Retro. Und der Verzicht auf eine Programm-App fürs Smartphone. Dass es keine App mehr gibt, wird damit begründet, dass die Homepage ja smartphoneoptimiert sei – dass man sich freilich dort ständig neu einloggen muss, mithin nicht mit wenigen Klicks sein Programm findet, die Filme und die Spielstätten: Ach, das juckt den Schreiber dieser Zeilen nicht, hat er doch ganz analog seinen Zettel in der Hosentasche! Könnte der Rückgriff auf Prä-Smartphone-Zeiten darauf hindeuten, dass die »neue« Berlinale sich auf das Altbewährte konzentriert, auf gute Filme? Das wird sich zeigen im ersten Jahr Chatrian.
Er, der neue künstlerische Leiter, hat im Buch zur Retro einen eigenen Beitrag verfasst (Karin Herbst-Meßlinger, Rainer Rother (Hrsg.): King Vidor. Zweisprachig, viele, viele Abbildungen, 252 Seiten, Verlag Bertz + Fischer, Berlin 2020, 25 Euro), beweist damit seine Filmgeschichtsaffinität.
Und wie gut der Band zur Retro gelungen ist! Die Retrospektiven der letzten Jahre waren ja häufig nicht vollkommen klar konturiert – konnten es auch nicht sein, da jedes motivische oder ästhetische Thema an den Rändern ausfranst, es immer Abgrenzungsschwierigkeiten gibt. Ein Regisseur aber hat ein klares Werk hinterlassen, das es nun genau zu betrachten gilt: Und das man erst recht nach Lektüre des Buches gerne näher betrachten will! Vidor ist ein Professional des Goldenen Hollywood, des Mythischen Hollywood (ähnlich wie Michael Curtiz oder Frank Capra, nur dass er keinen »Kult-Klassiker« wie »Casablanca« oder »Ist das Leben nicht schön?« hinterlassen hat). Ein Ingenieur, der den Maschinenraum Hollywoods immer wieder erneuert hat, der die Menschen erreichte und seine Themen setzte: »der Mensch und die Gesellschaft« etwa, oder »was Amerika ausmacht«, oder »Krieg, Weizen, Stahl«, wie es Vidor selbst sagte – aufgenommen im Retro-Band von Françoise Zamour in ihrem Essay über das Melodrama in Vidors Werk.
Andere Aufsätze beschäftigen sich mit dem Sozialen, den Western, und Kevin Brownlow wie auch Martin Scorsese steuern so klare wie persönliche Perspektiven auf Vidor bei.
Ich werde hier im Blog über die »King Vidor«-Retrospektive schreiben – aber das Buch, das wird auch noch gültig sein nach der Retro, nach dieser und den nächsten Berlinalen: als so grundsätzliche wie tiefschürfende Einführung in Vidors Werk wie in Hollywoods Maschinerie.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns