Kritik zu Zeit des Zorns
Hilflosigkeit und Wut im Iran: Der Filmemacher Rafi Pitts, der mit »Zemestan« 2007 auf der Berlinale entdeckt wurde, schickt seinen Protagonisten auf eine Reise ohne Wiederkehr
Die Einstellung kennt man: schräg von oben über die Schulter des Mannes, der durch das Zielfernrohr seines Gewehres blickt, im Visier das beabsichtigte Opfer. Doch diesmal ist es nicht Scorpio, der Killer aus »Dirty Harry« oder ein anderer Psychopath, sondern der Protagonist des Films, ein Fabrikarbeiter im heutigen Iran. Und weil der Zuschauer zu diesem Zeitpunkt, ungefähr in der Mitte des Films, weiß, was dieser Ali Alavi durchgemacht hat, sympathisiert er mit ihm. Das hat Gewicht, auch weil das Ziel, auf das er gleich schießen wird, ein Polizeiauto ist.
Dass die Geschichte am Ende für Ali nicht gut ausgeht, dem klassischen Muster von Schuld und Bestrafung folgt, dürfte die iranische Zensur nicht zufriedenstellen. Im Augenblick sieht es vielmehr so aus, als wolle man an »Zeit des Zorns« sogar ein Exempel statuieren: wie der Verleih Anfang März mitteilte, wurde inzwischen der erste Regieassistent des Films, Mehdi Pourmoussa, ohne Angabe von Gründen inhaftiert. Bereits während der Berlinale, wo der Film im Wettbewerb seine Weltpremiere hatte, wurde dem Regisseur Jafar Panahi (»Der Kreis«) die Ausreise zur Teilnahme an einem Symposium zur Situation des Films im Iran untersagt, auch er wurde mittlerweile inhaftiert.
Regisseur Rafi Pitts, 1967 im Iran geboren, in England ausgebildet, in Frankreich als Mitarbeiter von Doillon und Godard tätig, hat seinen vierten Spielfilm (dessen Finanzierung überwiegend aus Deutschland stammt, nicht zuletzt vom World Cinema Fund der Berlinale) komplett im Iran gedreht. »Zeit des Zorns« ist, wie schon sein Vorgänger »Zemestan« (It's Winter), in weitgehend starren Einstellungen komponiert, mit Ellipsen, die das Gezeigte auf das Essenzielle verdichten.
Wo aber »It's Winter« eine ländliche Welt des Stillstandes zeigte, da brodelt es in »Zeit des Zorns«. Das beginnt schon mit dem grobkörnigen Foto, das dem Vorspann unterlegt ist und das die Kamera in Detailaufnahmen abfährt, bevor sie es schließlich als Ganzes zeigt: junge Männer auf Motorrädern, vor sich eine am Boden liegende (oder auf den Boden gemalte) US-amerikanische Flagge – Revolutionsgarden am ersten Jahrestag der Islamischen Revolution 1980. Eine latente Aggressivität geht davon aus, an die der Zuschauer denken muss, wenn er später über den Aufnahmen der nächtlichen Großstadt den leisen Ruf »Nieder mit der Diktatur!« hört. Ali Alavi (Rafi Pitts) hat sieben Jahre im Gefängnis verbracht, jetzt muss er in einer Fabrik in Teheran mit der Nachtschicht vorliebnehmen, sieht seine Frau und die sechsjährige Tochter deshalb kaum. Eines Tages sind beide verschwunden. Die Frau sei bei einer Auseinandersetzung zwischen Polizei und »Rebellen« getötet worden, erfährt er schließlich, von einer Tochter wisse man nichts. Später muss er auch deren Leiche identifizieren. So kommt er an jenen eingangs beschriebenen Punkt, an dem er auf ein Polizeiauto feuert. Der zweite Teil des Films nimmt dann Züge eines absurden Theaters an: von zwei Polizisten festgenommen, die sich mit ihm in einem Wald verirren, gerät er in die Auseinandersetzungen zwischen dem Offizier, der ihn am liebsten gleich erschießen würde, und dem Rekruten, der mit seinem Vorgesetzten noch eine Rechnung zu begleichen hat.
Es ist vor allem dieser Tonwechsel, der irritiert. Aber vielleicht ist den gegenwärtigen Verhältnissen im Iran damit näher zu kommen als mit der nüchternen Beobachtung, die »It's Winter« und die erste Hälfte von »Zeit des Zorns« kennzeichnete. Wobei letztere ein gutes Stück weit verrätselt ist, durch die immer wieder eingeschobenen Aufnahmen von Autofahrten und von Ali auf der Jagd (die den Wendepunkt in der Mitte des Films vorbereiten): Man sieht nicht, was er jagt, ebenso wenig erfährt man, warum er im Gefängnis war. Dass es politische Gründe waren, darf man vermuten, angesichts der inquisitorischen Befragung bei der Polizei.
Pitts hat seinen Film, mit Ausnahme der Rolle der Ehefrau, erneut mit Laiendarstellern gedreht (und zudem am ersten Drehtag die Hauptrolle selber übernommen, als der Darsteller ausfiel), auch das verstärkt den Charakter eines Lehrstücks, in dem die Actionmomente als Köder dienen. Da darf man durchaus an die mittleren Filme eines Abel Ferrara denken, dem Pitts übrigens 2003 ein abendfüllendes Porträt widmete.
Kommentare
traurig ! ruerend !
Ein guter Film , der Film zeigt eindeutig wie ungerecht die Welt sein kann doch die Polizei hat nichts gemacht in Teheran auf der Polizeistation wo der Ali raffi Pitts seine Familie verkehren hat dann sagt er erst das seine Familie getötet worden ist .
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns