Kritik zu Silentium – Vom Leben im Kloster
Ora et labora: ein Dokumentarfilm über das Benediktinerkloster Habsthal bei Sigmaringen und den Alltag der fünf Ordensangehörigen
Die Stille ist in unseren Breiten ein seltenes, kostbares Gut geworden. Alle beklagen sich über Lärm und über das innere Nicht-Abschalten-Können. Alle? Das einzige Hintergrundgeräusch in diesem Dokumentarfilm über das Kloster Habsthal ist Vogelzwitschern; drinnen ist oft nur das Ticken der Uhr zu hören. Vielleicht aber läuft dem traditionsreichen Benediktinerkloster die Zeit davon. Die 750 Jahre alte Anlage am Rande der Schwäbischen Alb wird von nur noch vier Nonnen und einem Pater bewohnt, dazu kommen dreißig Schafe. Einst war das Kloster ein lokales Wirtschaftszentrum mit Landwirtschaft und Werkstätten. Die Ruhe, die das behäbige Gebäude ausstrahlt, idyllisch mitten in der Natur gelegen, ließe sich deshalb auch als Not statt als Tugend interpretieren.
Doch diese finsteren Gedanken wollen so gar nicht zu den Bewohnern passen. Sie sind zwar keine Plaudertaschen, aber die Behändigkeit, mit der die über 90-jährige Schwester Hildegard mit ihrem Stock über die knarzenden Dielen huscht, oder etwa die stille Verschmitztheit der Priorin Kornelia bezeugen festes Gottvertrauen. »Ora et labora« lautet die Maxime der Benediktinerinnen, deren Tagesablauf von Glockenläuten getaktet wird. Sollten sie zwischen Beten und Arbeiten ins Grübeln verfallen, so ist davon nichts zu merken.
Regisseur Sobo Swobodnik ist ein paar Wochen in diese abgeschiedene Welt eingetaucht und scheint dabei mit den für die Ewigkeit gebauten Möbeln der Einrichtung verwachsen zu sein. Nonnen und Pater lassen sich nie von der Kamera ablenken und agieren völlig ungezwungen. Die Hingabe, mit der sie sich dem Moment und dem Detail widmen, sei es beim Nähen, Gärteln, Essen oder beim Brettspiel, überträgt sich auf die Inszenierung, bei der etwa auf erklärendes Off-Quasseln verzichtet wird. Worte über Zukunft und Vergangenheit fallen wenige, Persönliches erfährt man nur in Ansätzen. Anfangs bedeuten die langen Einstellungen etwa beim gemeinsamen Beten für den Zuschauer eine Geduldsprobe. Bald aber schwingt man sich auf diese Entschleunigung, in der sich Spiritualität und Tatkraft gegenseitig befruchten, ein.
Mit der Binnenperspektive, bei der die Außenwelt weitgehend ignoriert wird, geht eine gewisse Idealisierung des Inselcharakters des Klosters einher. Vielleicht sind ja plappernde Medienarbeiter, die qua Definition dem Weltgeschehen hinterherhecheln, besonders anfällig für die Idee klösterlicher Einkehr. Mit entsättigten Farben und starken Hell-Dunkel-Kontrasten empfindet der Regisseur überdies den Stil alter Filme nach. Auch die betagten Elektrogeräte und die Ausübung selten gewordener Haushaltstechniken wie Wäsche stärken und mangeln stimmen nostalgisch. Es gibt sie noch, die guten Dinge: Die Gefahr einer romantischen »Manufaktum«-Verklärung des einfachen Lebens ist in dieser Studie stets präsent. Und doch wird dank der genauen Beobachtung auch das Besondere, Beneidenswerte der Gemeinschaft eingefangen: die Konzentration, Disziplin, Freude und Gelassenheit im täglichen Tun, der Glaube, der den Kopf frei hält.
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