Kritik zu Am Ende eines viel zu kurzen Tages
Ums Leben und die Liebe betrogen: Der irische Schauspieler und Regisseur Ian Fitzgibbon erzählt vom Aufbegehren eines tödlich erkrankten 15-Jährigen
Sterben ist kein angenehmer Zeitvertreib. Es sei denn, das Geschehen wird Trost spendend weichgespült. Vorausschauend umreißt dieses Dilemma die Romanvorlage zu dieser deutsch-irischen Filmproduktion auf der ersten Buchseite: »Wenn die Filme in seinem Kopf je in die Kinos kämen, würden die Zensoren nur noch Schnipsel übriglassen, ( . . . ) würden daraus den Frei-ab-zwölf-Langweiler machen, für den die ganze Welt Donald F. Delpe hält.«
Donald ist 15 Jahre alt, krebskrank unddurch Chemo- und Strahlentherapie zu einem »Kleiderbügel« geworden: dürr, geschwächt, ohne Augenbrauen und Haare, was er mit einer Wollmütze kaschiert. Verzweifelt und wütend zieht der Junge sich in die Fantasiewelt seiner Comiczeichnungen zurück, in denen er als Superheld mit Astralleib gegen seine Feinde antritt: den Bösewicht »Glove«, der ihm nach dem Leben trachtet, und dessen sexy Assistentin, die Krankenschwester »Nursey Worsey« im Domina-Dress.
Donald hat durch seine Erkrankung die Kontrolle über sein Leben verloren. Also fordert er den Tod heraus: Er balanciert auf dem Brückengeländer der Autobahn über dem Abgrund, springt auf dem Bahngleis in letzter Sekunde vor dem heranrasenden Zug zurück und weigert sich, etwas für seine Genesung zu tun. In seinem Kopf, seinen fulminanten Skizzen, die immer wieder lebendig werden, und den Gesprächen mit seinen Freunden dreht sich alles um Sex, um scharfe Bräute in Lederkluft. Seine Zeit läuft ab, und Donald will auf keinen Fall als »beknackte Jungfrau« enden.
In dem 2007 auch auf Deutsch erschienenen Roman »Superhero« des neuseeländischen Schriftstellers Anthony McCarten, der hier auch das Drehbuch schrieb, ist die Handlung bereits als Dreiakter angelegt. Einschübe im Comic-Jargon und Dialoge aus Donalds gezeichneten Storys durchdringen den Fließtext. Die Übertragung dieser narrativen Struktur einer Parallelwelt funktioniert als Animation auf der Leinwand anfänglich hervorragend. Der Spannungsbogen, auf dem Donald gedanklich balanciert, überwältigt mit entsprechendem Soundtrack als ein Schattenreich, in dem sich Todesfurcht und Tagträume offenbaren. Darüber hinaus verkörpert der 22-jährige Hauptdarsteller Thomas Brodie-Sangster (Tatsächlich… Liebe) den Teenager, der sich um sein Leben und die erste Liebe betrogen fühlt, absolut überzeugend. Auch das Zusammenspiel mit Aisling Loftus, die ihm als neue Mitschülerin Shelly mit ihrer coolen Art den Kopf verdreht, ist in sich stimmig. Allein bei der eigentlich zentralen Figur des Therapeuten Adrian King, den Andy Serkis verkörpert, hapert es in der filmischen Adaption: Der verwitwete Psychologe kommt in seiner ebenso gutmütigen wie einfallslosen Positionierung zu seinem jugendlichen Klienten wie ein Abziehbild von Robin Williams’ Figur in Good Will Hunting rüber. Der Film wartet zwar mit einigen angenehm schwarzhumorigen Winkelzügen auf. Er zelebriert jedoch zu seinem Ende hin, das eben kein glückliches bereithalten wird, schier endloses Abschiednehmen und entwickelt sich dabei doch noch zu dem vorausgesehenen »Frei-abzwölf- Langweiler«.
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