E-Mail an...Victor Kossakovsky

Kurz gefragt, schnell geantwortet. Prominente über ­ihre Vorlieben und Filmerfahrungen
Victor Kossakovsky © Ivan Methfessel

Victor Kossakovsky © Ivan Methfessel

Victor Kossakovsky, 63, Dokumentarfilmer, geboren in Leningrad, lebt in Berlin. Er hatte seinen Durchbruch Anfang der 90er mit »Die Belows«. Seither wurde er vielfach ausgezeichnet, zu seinen jüngeren Filmen gehören »¡Vivan las Antipodas!«, »Aquarela« und »Gunda«. Im Oktober startet »Architecton«

Ihr erstes denkwürdiges Filmerlebnis?

»Andrej Rubljow« von Tarkowski. Ich war ein Kind und habe nichts verstanden, aber die riesige Leinwand und die Bilder haben mich beeindruckt. Ich konnte es monatelang nicht vergessen. Deshalb mache ich heute Filme mit so wenigen Worten. Das Bild ist es, was im Kino sprechen sollte.

Welchen Film schauen Sie immer wieder?

»Andrej Rubljow«. Ich schaue mir Tarkowski immer wieder an.

Welche Serie verfolgen Sie?

Keine. Ich bin süchtig nach der großen Leinwand und . . . Verzeihen Sie, aber ich habe wenig Respekt vor dem kleinen Bildschirm. Ich denke, das Kino wird überleben, solange wir große Leinwände haben.

Welcher Film hat sie zuletzt beeindruckt?

»Fairytale« (Skazka) von Alexander Sokurow. Meiner Meinung nach ist Sokurows Einfluss auf die Filmsprache einer der größten: Er hat dem Alphabet des Kinos mehr neue Buchstaben hinzugefügt als Tarkowski und Eisenstein.

Ihre Lieblingsschauspieler*innen

Meine Aufgabe als Filmemacher, der versucht, »reales« Kino zu machen, ist es, Menschen zu finden, die keine Schauspieler sind, aber die Fähigkeit haben, auf der Leinwand bemerkenswert auszusehen. In meinem Film »¡Vivan las Antipodas!« spielen zwei Brüder aus Argentinien mit, die fast nichts sagen. Die besten Schauspieler sind für mich die, denen man gern lange zuschaut, ohne dass sie sprechen müssen.

Wer oder was ist unterschätzt?

Es gibt eine Regisseurin, Kira Muratowa, die vor kurzem gestorben ist. Die Leute kennen »Pulp Fiction«, richtig? Er ist wegen seiner Struktur interessant, nicht wahr? Bereits 30 Jahre zuvor wurde diese Struktur von Kira Muratowa erfunden. Sie war ihrer Zeit wirklich voraus.

Ein Lieblingsfilm, der ein bisschen peinlich ist?

Ich habe als Kind die deutschen Western mit Gojko Mitic geliebt. Ein wunderbarer Schauspieler. Ich habe Angst, die Filme heute wiederzusehen, weil ich mich erinnere, wie klischeehaft sie waren. Als Kind habe ich sie geliebt, weil sie so anders waren als das sowjetische Kino dieser Zeit.

Was sammeln Sie?

Manchmal bringe ich Pflanzen mit nach Hause, die andere weggeworfen haben. Für mich sind Pflanzen sehr lebendig, ich behandle sie wie Menschen. Ich versuche, sie zu heilen, setze sie in einen guten Topf, gebe ihnen Licht, und dann bleiben sie jahrelang bei mir.

Ihr Lebensmotto oder Lieblingszitat?

Es gibt drei! Das erste ist aus »Der Idiot« von Dostojewski: »Ich verstehe nicht, wie man an einem Baum vorübergehen kann und nicht beglückt sein, dass man ihn sieht.« Um uns herum existiert diese einzigartige Welt, und wir respektieren sie nicht genug. Die anderen beiden sind von Leonardo da Vinci. »Es gibt 3 Arten von Menschen: diejenigen, die sehen, diejenigen, die sehen, was ihnen gezeigt wird, und diejenigen, die nicht sehen!« Für mich als Filmemacher ist das von entscheidender Bedeutung, denn ich denke, wir haben uns bewusst dafür entschieden, manche Dinge, die wir tun, nicht zu sehen. Das letzte ist: »Die Zeit wird kommen, da das Töten eines Tieres genauso als Verbrechen betrachtet wird wie das Töten eines Menschen.«

Der beste Platz im Kino?

Früher saß ich ziemlich nah an der Leinwand, aber das hat sich geändert. Angeblich soll man in Dolby-Kinos überall sitzen können, aber nachdem ich vier Filme in Dolby Atmos gedreht habe, weiß ich, dass das nicht stimmt. Je weiter man in der Mitte sitzt, desto besser ist der Klang. 

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