Kritik zu Eileen
William Oldroyd (»Lady Macbeth«) adaptiert den gleichnamigen Roman der amerikanischen Autorin Ottesa Moshfegh
Das Langfilmdebüt des Londoner Regisseurs William Oldroyd, »Lady Macbeth«, machte 2016 nicht nur die Hauptdarstellerin Florence Pugh zum Shooting Star, der Film überzeugte auch mit einer präzisen und schnörkellosen Inszenierung. Er erzählte die Geschichte einer jungen Braut, die im ländlichen England des 19. Jahrhunderts in die Ehe verkauft wird. Als sie sich auf eine Affäre mit einem Arbeiter auf ihrem Gut einlässt, erwacht in ihr eine kühl kalkulierende Gewaltbereitschaft. Wer den Roman von Kultautorin Ottessa Moshfegh kennt, auf dem Oldroyds neuer Film Eileen beruht, erkennt unmittelbar Gemeinsamkeiten. Wenn auch in gänzlich anderem Setting, löst auch in diesem Film die erwachende Sexualität einer jungen Frau schließlich brutale Gewalt aus. Leider geht ihm die uhrwerkhafte Präzision des Debüts ab.
»Eileen« spielt in einer winterlichen Kleinstadt im Massachusetts der sechziger Jahre. Dort wohnt die von der Neuseeländerin Thomasin McKenzie (»Jojo Rabbit«, »Leave No Trace«) gespielte junge Frau gemeinsam mit ihrem alkoholkranken, tyrannischen Vater (Shea Whigham). Introvertiert und verschüchtert, scheint sie sich ihrem tristen Schicksal ergeben zu haben: Tagsüber arbeitet sie als Sekretärin in der naheliegenden Jugendvollzugsanstalt, abends kocht und putzt sie für den verwitweten Vater, der sie unaufhörlich beleidigt und drangsaliert.
Dass Eileen kaum einen Unterschied zwischen ihrem Dasein und dem der jugendlichen Gefängnisinsassen sieht, macht der Film rasch deutlich. Das monotone Kleinstadtleben tut sein Übriges, um Eileens Hoffnung auf ein besseres Leben im Keim zu ersticken.
Doch dann tritt Rebecca (Anne Hathaway) in ihr Leben. Die neue Gefängnispsychiaterin wirkt, als wäre eine glamouröse Femme Fatale direkt von der Leinwand in Eileens graue Welt herabgestiegen. Mit voluminöser blonder Marilyn-Monroe-Frisur, perfekt sitzenden Kleidern und einer immer leicht ironischen, schlagfertigen Attitüde tritt sie dem Mief der Gefängnismauern und dem Kleinstadtblues im Allgemeinen entgegen. Schon nach der ersten Begegnung der beiden Frauen ist klar, dass Eileens Faszination über bloße Neugier herausgeht: Rebecca steht nicht nur für ein unabhängiges Frauenbild, sondern übt auch eine starke erotische Anziehungskraft auf Eileen aus.
Hathaway glänzt in der Rolle der mysteriösen Femme Fatale und trägt den Film über weite Strecken; wäre ihr Witz und rebellisches Auftreten nicht auch für uns so begeisternd, wäre Eileens zunehmende Obsession mit der neuen Kollegin kaum nachzuvollziehen. Auch McKenzie überzeugt erneut, allerdings hat man sie nun bereits einige Male als kleinlaute junge Frau vom Land gesehen, die auf einmal mit den Versuchungen und Gefahren der (städtischen) Welt konfrontiert wird – zuletzt etwa im Horrorfilm »Last Night in Soho«. Erst im letzten Drittel des Films kann sie zeigen, dass sie auch durchaus komplexere, düstere Charakterzüge beherrscht.
Denn in dieser finalen Phase wechselt der Film plötzlich in die Gangart eines Thrillers. Das ist durchaus beabsichtigt, folgt das Drehbuch von Moshfegh und ihrem Mann Luke Goebel doch relativ eng der Romanvorlage. Im Film aber wirkt der geradezu schockartige Übergang in den Krimiplot übereilt und unglaubwürdig. Vor dem zentralen Twist, der hier nicht verraten werden soll, lebt der Film von der Ambivalenz des Verhältnisses zwischen Eileen und Rebecca. Dass sich die vage, wenn auch starke Anziehung, die Rebecca auf Eileen ausübt, auf einmal in einem Akt der Gewalt entlädt, opfert diese Mehrdeutigkeit einer genretypischen Eskalation. Gleichzeitig traut der Film sich aber auch nicht, den stilistischen Umschwung ins Spekulative zu vollziehen, sondern bleibt visuell geschmackvoll zurückhaltend. So bleibt man am Ende ein wenig ratlos zurück.
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