Kritik zu Mittwoch 04:45
Die Griechenlandkrise als Mafiafilm: Alexis Alexiou erzählt von einem Jazzclubbesitzer, der seine Schulden nicht mehr bezahlen kann, und einer Lage, die sich zum Nachteil aller immer weiter zuspitzt
Ein regnerischer Wintertag in Athen. Das Land ist pleite, die EU fordert Rückzahlungen, und der korrupte Staat windet sich in Uneindeutigkeiten. Auch Stelios ist pleite. Sein Live-Jazzclub, der Traum seines Lebens, wirft nicht mehr genug ab, um Musiker, Angestellte und Miete zu bezahlen. Vor allem aber kann er die Schulden, die er bei einem mafiösen Rumänen hat, nicht mehr bedienen. Bei einem Treffen, wo sich der namenlos bleibende Rumäne im lässigen Bademantel unnachgiebig zeigt, wird ihm eine Frist von 32 Stunden eingeräumt, um seine inzwischen 140 000 Euro betragenden Schulden zu bezahlen. Unmöglich für den kleinen Clubbesitzer. Die Griechenlandkrise als Mafiathriller.
Regisseur Alexis Alexiou geht in seinem zweiten Kinofilm der Chronologie des Verbrechens nach, zeigt, wie unter enormem Druck aus einem relativ harmlosen Musikliebhaber ein Krimineller werden kann. Aber der Film ist keine Drohung. Am Schluss hat niemand gewonnen, aber viele haben ihr Leben verloren. So, wie bei der Griechenlandkrise niemand wirklich gewinnen kann. Alexiou nimmt die Problemlage seiner Figuren ernst und setzt die Spirale der Gewalt dort an, wo sich alle anderen Türen schließen. Stelios hat nicht nur Schulden, er hat auch Gläubiger. Der Sohn eines Nachtclubbesitzers wird entführt, aber auch er kann nicht bezahlen. Wie nebenbei versucht Stelios nun wenigstens sein Privatleben in Ordnung zu bringen. Er trennt sich von seiner Freundin, versucht, seine marode Ehe zu kitten und in Zukunft auf Drogen zu verzichten.
Dabei ist »Mittwoch 04:45« kein reiner Genrefilm. Der Thriller wird gegen den Strich gebürstet. Die Brechungen, die das Thema vorgibt, die Verschiebung der Problemlage und die hilflose Suche nach Lösungen, das alles spiegelt sich in den Bildern. Immer wieder tauchen die Szenen in eine absichtsvolle Unschärfe ein, gehen in ein braunes, sepiadurchsetztes Farbspektrum über und werden so eher symbolisch als real. Blitzartig blenden Lichtreflexe den Zuschauer, die Nacht beherrscht den Handlungsraum. Es entsteht eine diffuse Angst. »Mittwoch 04:45« ist eben auch kein Wohlfühlfilm.
Für das deutsche Publikum hat Alexiou in der Rolle des Fahrers den Deutsch-Griechen Adam Bousdoukos besetzt, der in Filmen von Fatih Akin und zuletzt in Aron Lehmanns »Highway to Hellas« mitspielte. Platte Analogien vermeidet Alexiou, die Parallelen zur Wirklichkeit sind an keiner Stelle überbetont, vielmehr legt er es darauf an, die Ausweglosigkeit seines Landes zu verdeutlichen. Zwischen den Szenen gibt es immer wieder griechische Musik, traurige Lieder, die von Angst und Enttäuschung erzählen. Und mit dem Ablaufen der Uhr, mit dem bedrohlich näher rückenden Ende des Ultimatums, nimmt die Brutalität der Handlung zu. Bis zum bitteren Ende, das nur noch darum bittet, Griechenland nicht ausbluten zu lassen. Denn es gibt sie, die einfache Lösung, aber davon spricht der Film nicht.
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