Paramount+: »Fellow Travelers«

»Fellow Travelers« (Miniserie, 2023). © Ben Mark Holzberg/Showtime/Paramount

© Ben Mark Holzberg/Showtime/Paramount

Weggefährten oder Mitläufer

Man schreibt das Jahr 1986, eine Gartenparty auf dem Anwesen der Fullers in Washington, D.C.: Während Hawk (Matt Bomer) und seine Ehefrau Lucy (Allison Williams) mit Gästen plaudern, taucht überraschend Marcus auf, mit schlechten Nachrichten, die er Hawk nur unter vier Augen sagen will. Tim (Jonathan Bailey) ordnet sein Leben, es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch er an Aids stirbt. Marcus überreicht Hawk einen kleinen Karton. Hören wolle Tim von ihm aber nichts. »Du hast eine wunderbare Familie und ein schönes Leben. Ich hoffe, das war es wert.« Hawk öffnet den Karton, darin ein Briefbeschwerer aus Glas, der ihn an früher erinnert.

Mit dieser Rahmenhandlung beginnt die achtteilige Miniserie »Fellow Travelers«. Und damit sind in wenigen Minuten auch gleich Themen und Hauptfiguren eingeführt, um die sich die einstündigen Folgen drehen, die über drei Dekaden vom Leben queerer Menschen und zugleich dem gesellschaftspolitischen Klima in den Vereinigten Staaten vom Kalten Krieg bis zur Reagan-Ära erzählt. Mit dem ausgepackten Souvenir springt die Serie zurück ins Jahr 1952, als sich Hawk Fuller, hoher Beamter im Außenministerium, und der frisch angekommene junge Katholik Timothy Laughlin bei einer Wahlkampfveranstaltung in Washington erstmals begegnen und bald eine heimliche Affäre beginnen, die ihr weiteres Leben prägen wird.

Stimmig ausgestattet und fotografiert, ist die von Ron Nyswaner nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Mallon kreierte Serie zugleich Liebesdrama, Politthriller und Sozialstudie, verbindet episch, dabei im Detail sehr genau, Hawks und Tims Jahrzehnte währende Liebesgeschichte und Hawks repräsentative Ehe und Familienleben mit den politischen Klimawechseln, von McCarthys Hexenjagd auf Kommunisten und Homosexuelle über den Vietnamkrieg bis hin zur Aidskrise. So sehr die zwischenmenschlichen Dramen berühren und so erstaunlich freizügig der Sex zwischen Männern gezeigt wird, sind es doch immer wieder die Verortungen in historischen Momenten, die den Mehrteiler auch über acht Stunden nicht an Spannung verlieren lassen. Zahlreiche reale Figuren tauchen auf, McCarthy und Eisenhower natürlich, aber auch etwa Roy Cohn, der rechte Hetzer und heimliche Homosexuelle, der früh an Aids verstarb (und von Al Pacino bereits in »Angels in America« verkörpert, hier von Will Brill gespielt wird) oder die wegen sowjetischer Spionage zum Tode verurteilten und hingerichteten Ethel und Julius Rosenberg.

»Fellow Travelers« ist immer dann am eindrücklichsten, wenn die Serie anschaulich macht, wie die Angst vor Verfolgung intimste Beziehungen vergiftet, wie Familienmitglieder und Liebhaber verraten werden, um die eigene Haut zu retten. Und wie queere Menschen immer wieder anders diskriminiert werden, Menschen aber auch ganz unterschiedlich damit umgehen, sich in Ehen retten wie Hawk oder auf andere Arten Doppelleben führen, um im Zentrum der Macht zu sein und nicht am Rande der Gesellschaft. Der Serientitel bedeutet deshalb zweierlei: Weggefährten und Mitläufer, und zwischen diesen Polen versuchen sie alle, ihren Platz zu finden und zu überleben.

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