Filmfestival Zürich
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»Schwarzie« in der Schweiz – Das 11. Zürich Filmfestival bot ein buntes Potpourri mit Stars in Galavorstellungen und einem sehenswerten Wettbewerb
In der (deutschsprachigen) Schweiz tickten die Uhren, wenn es ums Kino ging, immer etwas anders. Es gab kaum Multiplexe, man ging trotz teuerer Eintrittspreise viel öfter ins Kino als in Deutschland, und die Filme liefen meist immer im Original mit zweisprachigen Untertiteln. Ganz so idyllisch ist es nicht mehr. Auch in Zürich gibt es jetzt das von außen ziemlich hässliche riesige Multiplexkino Arena, und dort laufen die Hollywoodfilme hauptsächlich in der synchronisierten, deutschen Fassung. Wenn dort während des Festivals eine Woche lang mittags die packende achtteilige rumänische HBO Serie »Umbre« (Shadows) lief, verirrten sich kaum Zuschauer ins große Kino 8.
Das sah schon ganz anders aus, wenn ein Star wie Arnold Schwarzenegger dort abends gleich in zwei Kinos seinen großen Auftritt zelebrierte. Gut gelaunt feierte das vorwiegend männliche Publikum Schwarzie. Der Grazer mit dem markanten Akzent redete kein Wort Deutsch an diesem Abend. Routiniert, aber dabei durchaus sympathisch, spulte er sein Programm herunter und ließ kurz seine erfolgreiche Karriere als Bodybuilder, Schauspieler und Politiker Revue passieren. Wie bei einem Rockstar werden die Handys gezückt und fleißig mitgefilmt. Beim dann überraschend anspruchsvollen Film »Maggie«, den Schwarzenegger auch mitbrachte, verließen sofort ein paar Dutzend Fans das Kino. Man will den Terminator wohl nicht als einen überforderten Vater sehen, der in einem Amerika der nahen Zukunft, das von einer Seuche heimgesucht wird, seine infizierte Tochter nicht aufgeben will.
Arnold Schwarzenegger war wohl der bekannteste Hollywoodstar, den die Festivalmacher in diesem Jahr nach Zürich lotsten. Unter anderem kamen die Schauspieler Armin Mueller Stahl, Christoph Waltz, Kiefer Sutherland und Ellen Page. Stephen Frears und Ben Foster präsentierten gut gelaunt »The Program«, ihre Parabel vom Aufstieg und Fall des Lance Armstrong. Der maulfaule Brite unterhielt Journalisten in Interviews mit ironischen Seitenhieben gegen Sepp Blatter und Volkswagen. Für Frears ist Lance Armstrong ein faszinierender Krimineller. Am liebsten hätte er seinen Film »The Stupid American« genannt. Sein Hauptdarsteller Ben Foster versuchte dann schon eher „seine“ Figur auch zu verteidigen. Selten widersprechen sich ein Regisseur und sein Hauptdarsteller so offen und doch respektvoll.
An diesen prägnanten Beispielen wird deutlich, wie sehr die Vielfalt das Konzept des Filmfestival Zürich ausmacht. Man hat hier mehr Stars als München oder Hamburg und setzt im Wettbewerb auf Arthouseerprobtes aus den Nebensektionen von Cannes, aber auch auf Welt- oder internationale Premieren aus kleineren Filmländern wie Bulgarien, Rumänien oder Island. Gerade der bulgarische Beitrag »Thirst« ist ein wuchtiges Drama aus der Provinz, voller (erotischer) Spannung zwischen einem Brunnenbauer und seiner provokativen Teenietochter, der für eine dreiköpfige Familie in den Bergen einen Brunnen bauen soll. Amüsant dann der isländische Beitrag »Sture Böcke« über zwei verfeindete Schafzüchter, die auch noch Brüder sind. Der Film von Grímur Hákonarson gewann dann den Hauptpreis des Festivals.
Einen thematischen Schwerpunkt bilden deutschsprachige Filme aus der Schweiz, Österreich und Deutschland. Besonders gelungen war der Schweizer Beitrag »Amateur Teens« von Niklaus Hilber, der wie eine modernisierte Version von Lukas Moodysons »Fucking Amal« im Facebook- und Snapchatzeitalter wirkte. So geht es um Pornofantasien, Sex, Drogen und Alkohol, mit überforderten Jungs und Mädchen, die sich kaum trauen, auf echte Gefühle zu setzen.
Der wohl aktuellste Film war jedoch »Mediterranea«, der vor kurzem in den deutschen Kinos startete. Alle reden über die Flüchtlingskrise, und hier ist sie ganz unmittelbar und direkt zu sehen. Es geht um afrikanische Flüchtlinge, die es bis nach Italien schaffen und in einer Kleinstadt in Kalabrien leben. Regisseur Jonas Carpignano hat in einem semidokumentarischen Stil vor allem den Alltag dieser heute so gerne als "Wirtschaftsflüchtlinge" bezeichneten Immigranten festgehalten, die als billige Arbeitskräfte ohne Rechte durchaus willkommen sind. Der engagierte Filmemacher und Sohn eines Italieners und einer Afroamerikanierin brachte auch seinen Hauptdarsteller Koudous Seihon mit, der aus Burkina Faso stammt. Koudous lebt seit sechs Jahren in Italien, sein Film reist um die Welt, und immer noch darf seine kleine Tochter, die in Burkina Faso lebt, ihn nicht in Italien besuchen. Während sich die Presse um den Afrikaner riss, darf er immer noch nicht frei reisen. Am Flughafen verweigerte man ihm die Weiterreise. In die Schweiz musste er dann den Zug nehmen. Integration wird von Politikern ja derzeit gerne beschworen - aber nicht praktiziert.
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