Kritik zu The Wailing – Die Bessenen

© Alamode Film

2016
Original-Titel: 
Goksung
Filmstart in Deutschland: 
12.10.2017
L: 
156 Min
FSK: 
16

Im dritten Spielfilm des koreanischen Thrillerregisseurs Na Hong-jin dämmert ein unauffälliger Provinzpolizist der Rente entgegen. Als die Menschen in seinem Dorf in einen unerklärlichen Blutrausch verfallen, muss er aktiv werden

Bewertung: 4
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Ein klassischer Held ist Jong-goo ganz sicher nicht. Heldenhaftes liegt dem übergewichtigen und auch nicht besonders eifrigen Polizeisergeant denkbar fern. Er ist eher einer dieser Polizisten, die ihre Zeit entweder im Büro oder im Auto absitzen und auf die nächste Pause warten. Wenn er mal zu einem Tatort gerufen wird, kommt der Familienvater meist zu spät und bestätigt seinen Vorgesetzten, der ihn für faul und unfähig hält. Aber das alles macht Jong-goo auch nicht zu einem modernen Anti-Helden. Dafür ist er einfach zu durchschnittlich. Selbst die Dämonen, mit denen er in seinem Innern kämpft, sind »spießig und zahm«, wie es in Leonard Cohens Song »You Want It Darker« heißt.

In den meisten Filmen wäre einer wie Jong-goo bloß eine Nebenfigur: Als närrischer Sidekick des Helden bliebe er im Hintergrund der Geschichte. Ins Rampenlicht dürfte er nur dann treten, wenn mal wieder ein Witz auf seine Kosten gemacht wird. Aber diese Konventionen des Hollywoodkinos, die in der globalisierten Welt des Films längst überall gelten, interessieren den südkoreanischen Regisseur Na Hong-jin nicht. Er zitiert sie höchstens, um sie genüsslich zu demontieren. Jong-goo ist eben keine lächerliche Figur am Rande, sondern steht mitten im Zentrum des Films, der wie ein Polizeithriller beginnt und sich zu einer philosophischen Horrorvision entwickelt.

Natürlich fordert der etwas linkische, ziemlich leichtgläubige Polizist zunächst zum Schmunzeln heraus. Die Ausreden, mit denen der von Kwak Do-won subtil gezeichnete Jong-goo versucht, seine Verspätungen zu entschuldigen, sind amüsant. Aber die Morde, die das von Wäldern umgebene Dorf Goksung erschüttern, verändern alles. Zuvor unauffällige Bürger verfallen plötzlich in einen schrecklichen Blutrausch und massakrieren Menschen, die ihnen nahestehen.

Jede neue Bluttat zieht Jong-goo tiefer in eine Welt hinein, die er nie verstehen wird. Trotzdem muss er eine Lösung finden. Denn alles deutet darauf hin, dass seine kleine Tochter Hyo-jin, die er über alles liebt, die nächste Amokläuferin sein wird. Gerüchte behaupten, ein Fremder (Kunimura Jun), ein alter Mann aus Japan, sei für die Morde verantwortlich. Folglich stattet Jong-goo ihm einen Besuch ab, bedroht den verhassten Ausländer und tötet seinen Hund.

Wie die Ereignisse in Goksung scheint auch »The Wailing« zusehends außer Kontrolle zu geraten. Anders als in seinen beiden ersten Filmen, den extrem dichten, die Schrauben konsequent anziehenden Thrillern »The Chaser« und »The Yellow Sea«, springt Na Hong-jin zwischen einzelnen Genres und Subgenres hin und her. Und selbst im letzten Drittel, als aus dem an Bong Joon-hos »Memories of Murder« erinnernden mörderischen Provinzporträt ein Horrorfilm mit Anklängen an »Der Exorzist« und Verweisen auf Zombie-Geschichten geworden ist, blitzt noch ein irritierender schwarzer Humor auf. Nur ist einem da längst nicht mehr zum Lachen zumute – Jong-goo ist dem Zuschauer zu nahe gekommen. All seine Schwächen, seine Verführbarkeit und ziellose Brutalität, seine tief sitzende Fremdenfeindlichkeit und sein Hang zum Irrationalen gleichen einem Spiegel. Erst in Extremsituationen offenbart sich das ganze Wesen eines Menschen, und Jong-goos Wesen wirkt letztlich beunruhigend vertraut.

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