Kritik zu Ich will alles. Hildegard Knef
Luzia Schmid kombiniert in ihrem Dokumentarfilm über die vor hundert Jahren geborene Hildegard Knef autobiografische Texte der Künstlerin mit Szenen aus ihrem Leben, Konzertausschnitten und Interviews
Mit ihrer Rolle im ersten deutschen Nachkriegsfilm, Wolfgang Staudtes »Die Mörder sind unter uns«, wurde Hildegard Knef zum ersten deutschen Filmstar nach dem Krieg und dann auch zum ersten deutschen Weltstar, als sie die USA über den Broadway eroberte. Dort stand sie 1955 zwei Jahre lang in »Silk Stockings« auf der Bühne , der Musicalversion von Ernst Lubitschs Film »Ninotschka«. Es war ein später Triumph, denn ihr erster Besuch in Amerika hatte bereits 1948 stattgefunden. Unter Vertrag genommen von dem Produzenten David O. Selznick, bekam sie in drei Jahren allerdings keine einzige Rolle und kehrte daraufhin nach Deutschland zurück, um unter der Regie von Willi Forst in »Die Sünderin« zu spielen. Ihre sechs Sekunden lange Nacktszene (im Hintergrund einer Totale) »machte den Produzenten reich und mich lächerlich«, wie sie hier erzählt, ihr Leben als Wechsel großer Erfolge und ebenso großer Misserfolge beschreibend.
Dieser Dokumentarfilm lässt vorrangig Knef selbst zu Wort kommen – gesprochen aus dem Off von Nina Kunzendorf, in Sätzen aus ihren autobiografischen Büchern. Daneben sieht man sie in zahlreichen TV-Interviews, in denen ihr Männer durch die Fragen zu Leibe rücken, worauf sie freimütig und zugleich druckreif antwortet. Sie war stets eine öffentliche Person, über die Presse hatte das Publikum Teil an ihren Erfolgen und Misserfolgen, an ihrer Krebserkrankung und an ihrem späten Facelifting, was sie mit den Worten kommentiert: »In meinem Beruf wird Zeitlosigkeit abverlangt – was bei Männern nie verlangt wird.«
Die einzigen Stimmen außer ihrer eigenen sind aktuelle Interviews mit ihrer Tochter Christina und mit ihrem dritten Ehemann und Witwer, Paul von Schell. Beide setzen dabei auch einige kritische Akzente.
Ein zweiter roter Faden durchzieht die Chronologie des Films: Knefs Männer. Der erste Ehemann Kurt Hirsch, ein Emigrant, der mit den kämpfenden amerikanischen Truppen zurückkam und über den sie sagt: »Er war der erste Jude, den ich kennenlernte«, steht in interessantem Kontrast zu ihrer vorangegangenen Beziehung 1944 zu dem hochrangigen Nazi Ewald von Demandowsky, Produktionschef der Tobis. Ehemann Nummer zwei, David Cameron, erkannte, dass er ihr als Schauspieler nicht das Wasser reichen konnte, und so arbeitete er als ihr Manager und Bühnenregisseur.
14 Lieder sind im Film zu hören, ausgesucht offenbar danach, was Hildegard Knef in deren Texten über sich selbst verrät – wobei immer auch ein gehöriges Stück Selbstironie mitschwingt, so wie in »Von nun an ging's bergab«. Dem stehen nur fünf Filmclips gegenüber: Um ihre darstellerischen Leistungen geht es dem Film nicht. Die Clips werden stets rückbezogen auf sie selbst, wobei Fedora über eine Diva, die sich dem Jugendwahn mit einem grandiosen, aber letztlich verhängnisvollen Trick entzieht, das wichtigste Statement darstellt.
»Ich habe Ehrgeiz, werde ihn behalten. Er begleitet mich wie eine Liebe, die gute und schlechte Tage hat.« Das vorangestellte Zitat verrät viel über den Selbstbehauptungswillen dieser Frau, die man durchaus als Rollenmodell sehen kann.
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