Kritik zu The Five Devils

OmU © MUBI

2022
Original-Titel: 
Les cinq diables
Filmstart in Deutschland: 
13.04.2023
V: 
L: 
96 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Ein Mädchen mit einem sehr feinen Riecher entdeckt in der Vergangenheit Wahrheiten über ihre Mutter. Ein naturalistisches Mutter-Tochter-Drama und zugleich ein Zeitreisefilm

Bewertung: 4
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Léa Mysius' »The Five Devils« ist kein leicht zu fassender Film. Das Zweitwerk der französischen Regisseurin, deren Debüt Ava um ein erblindendes Mädchen ein Arthaus-Hit wurde, bleibt inhaltlich und auch formal in der Schwebe: ein naturalistisches Mutter-Tochter-Drama, ein Zeitreisefilm und zugleich eine Versuchskonstellation zu Themen wie (traditioneller) Familie, lesbischer Liebe und Erinnerung. 

Der Film beginnt im Feuer: Joanne (Adèle Exarchopoulos) im Tanzoutfit dreht sich vor brennendem Hintergrund um und schaut in die Kamera. Darauf folgt Kälte, in Joannes Gesicht ebenso wie in der Naturkulisse, die sich bietet. In einem eisigen See geht Joanne schwimmen, ihre siebenjährige Tochter Vicky (Sally Dramé) pfeift sie nach 20 Minuten zurück, bevor Erfrierungen drohen. Die beiden leben mit dem aus dem Senegal stammenden Jimmy (Moustapha Mbengue), Vickys Vater, in dem Bergdorf »Les Cinq Diables«, die fünf Teufel, benannt nach den fünf Berggipfeln, die so erhaben wie bedrohlich in den Himmel ragen. 

Eine zentrale Frage dieses kinematographischen Trips lautet: Wer sind wir und woher kommen wir? Vicky geht ihr mit der Nase auf den Grund. Buchstäblich, denn sie hat einen so feinen Riecher, dass sie sogar den Atem von Ratten und Eichhörnchen unterscheiden kann. Einige Gerüche konserviert sie in beschrifteten Einmachgläsern, »Mama 1« steht auf einem. 

Als hätte Mysius »Das Parfüm« mit Céline Sciammas »Petite Maman« verschmolzen, geht es mit der Nase zurück durch die Zeit, als Julia (Swala Emati), Vickys Tante väterlicherseits, nach Jahren vor der Tür steht. Die Frau ist dem Alkohol zugeneigt und psychisch angeschlagen. Vicky entdeckt bei ihr ein Flakon, mixt die Flüssigkeit mit anderen Dingen zusammen und findet sich, nachdem sie an dem Cocktail schnüffelt, in der Vergangenheit vor ihrer Geburt wieder, wo zwischen Mutter und Tante eine große Liebe brennt. Niemand kann das Mädchen dort sehen, nur – und jetzt wird's kompliziert – Julia, die es mit der Angst zu tun bekommt. 

Vor den fünf Berggipfeln erzählt Mysius in ihrem faszinierenden Mash-up mit magischem Realismus ein Drama voller Spiegelungen zwischen damals und heute. »The Five Devils« stellt Fragen zu verpassten Gelegenheiten und dazu, was daraus wachsen kann. Wie viel Einfluss nehmen wir darauf, wer wir selbst sind? Die Umgebung, in der der zwischen Kälte und Leidenschaft changierende Film solche Fragen stellt, ist gezeichnet von Rassismus und Homophobie. »Pobürste« und «Klobürste» wird Vicky in der Schule gerufen.

Sally Dramé spielt das so eigen- wie einzigartige Mädchen einnehmend. Ergreifend ist die Performance von Adèle Exarchopoulos, die sich mit ihrem ganzen Körper in die Rolle der Frau und Mutter zwischen den Stühlen wirft. In einer herzergreifenden Szene singt Joanne mit Julia in einer Karaoke-Bar Bonnie Tylers Evergreen »Total Eclipse of the Heart«: »Your love is like a shadow on me all of the time«. Wie wahr in diesem Film und – auch darin offenbart sich Mysius' Kunst – überhaupt nicht kitschig.

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