Kritik zu Lichter der Stadt

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2020
Original-Titel: 
Lichter der Stadt
Filmstart in Deutschland: 
02.06.2022
L: 
101 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Ein Film in einer Einstellung: Malte Wirtz lässt seinen Helden durch ein nächtliches Köln driften, auf der Suche nach dem Alleinsein. Aber dann trifft er ständig Bekannte

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Joscha (Tim-Fabian Hoffmann) driftet durch die nächtlichen Straßen von Köln. Selbst wenn er still steht, ist etwas in ihm in ständiger Bewegung. Am Rheinufer holt er sich von einem Dealer Drogen. Was er damit will, scheint er selbst nicht so genau zu wissen. Wird er sich gleich in den Rhein stürzen oder vor das nächste Auto werfen? Joscha ist von einer tieftraurigen Todessehnsucht umgeben. Er versucht sich den Menschen zu entziehen, was ihm partout nicht gelingen will. Ständig trifft er auf Bekannte. 

Erst ist da die Nachbarin (Johanna Wieking), die sich mit ihrer Sorge um eine alte Dame aufdrängt. Dann wird Joscha von Lucki (Simon Rußig) und Karlotta (Oona von Maydell) entdeckt, zwei alten Freunden, mit denen sich kurz eine geisterhafte Dynamik von früher einstellt, die jedoch von einer zähen Entfremdung durchzogen ist. Karlotta wird am kommenden Tag nach Mexiko fliegen. Sie flüchtet sich offensichtlich in eine Reise, um die Gegenwart mit mehr Gewicht auszustatten. Lucki hingegen will eigentlich nur mit Karlotta schlafen, obwohl er seit zwei Jahren verheiratet ist. Jeder lebt seine eigene Flucht.

Für Joscha wird dieses Treffen zu einem Senkblei, das ihn in die eigene Vergangenheit zieht; da ist ein vergangenes Leben, dass beständig nach ihm greift und ihm eine Identität zuweist. Der einzige Ausweg: Er muss weiterdriften, über die Deutzer Brücke ans andere Ufer und wieder zurück, wobei er nicht wirklich von der Stelle kommt.

Dieses Gefühl des treibenden Sinnverlustes fängt der Film auf ziemlich gelungene Weise ein. Ständig ist der Film in Bewegung, ohne dass dabei wirklich etwas passiert: zittrig, unstetig und wankelmütig. Dies ist auch deshalb so einnehmend, weil es keinen einzigen Schnitt gibt, alles in einem Take gefilmt ist. Die Referenz liegt auf der Hand: Schon Sebastian Schipper ging es in »Victoria« um das Einfangen einer Unmittelbarkeit und das Suggerieren von Authentizität. Aus einer technischen Perspektive betrachtet ist »Lichter der Stadt« daher beeindruckend, zumal der Film ohne jede Förderung entstanden ist. Vor allem Kameramann Francisco de la Torre gelingt es auf virtuose Weise eine Bewegung nervöser Traurigkeit zu finden und die ständig anwesende Stadt als leeren Transitraum erscheinen zu lassen. 

Doch letztlich verflüchtigt sich diese Unmittelbarkeit allzu schnell. Die Probleme von Joscha bleiben unklar, während die befindlichkeitsfixiert-improvisierten Dialoge in ihrer Banalität schnell auf Grund zu laufen drohen: Der Alltag in Realzeit ist eben doch eine ziemlich langweilige Angelegenheit. 

Regisseur und Drehbuchautor Malte Wirtz ging es bereits in seinen Filmen »Voll Paula!« und »Hard & Ugly« um Spontanität und die kleinen Wunderlichkeiten des Alltags. Der improvisierte, verstolperte Charme wurde darin jedoch immer von einem Rhythmus durchzogen, von einer filmischen Form belebt. »Lichter der Stadt« aber ist reinste Melancholie, ein Umherlaufen und Lamentieren fast ohne jede künstlerische Verdichtung, die unserer Alltäglichkeit noch Sinn abtrotzen könnte.

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