Kritik zu Smoke Sauna Sisterhood

© Neue Visionen Filmverleih

2023
Original-Titel: 
Smoke Sauna Sisterhood
Filmstart in Deutschland: 
23.11.2023
L: 
89 Min
FSK: 
12

Anna Hints hat über einen längeren Zeitraum estnische Frauen beim Saunagang gefilmt. Entstanden ist das Porträt eines Schwitzhütten-Rituals und einer Gesellschaft, die weniger modern ist, als sie scheint

Bewertung: 3
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Das Jahr 2023 ist in Estland das »Jahr der Sauna«. Doch auch in anderen Zeiten steht das Schwitzen weit oben in der nationalen Kultur. So hat es die urtümliche Rauchsauna im südöstlichen Teil des Landes bis ins Heute und in das UNESCO-Welterbe geschafft. Im Gegensatz zum finnischen Saunieren mit dem schnellen Wechsel von starker Hitze und Abkühlungsphasen wird die Rauchsauna erst lange vorgeheizt und dann während der Abkühlphase für mindestens drei Stunden am Stück genutzt. Also auch ein kommunikatives Unterfangen.

Ein Exemplar der Rauchsauna ist auch Ort und Herzstück dieses Dokumentarfilms. Dabei geht es nicht um das Erklären der sozialen und technischen Eigenheiten. Stattdessen begleitet Regisseurin Anna Hints dicht am Objekt das Treiben im klaustrophobischen Innen und dem sich jahreszeitlich verändernden Außen einer idyllisch zwischen Wald und See gelegenen Holzhütte. Die dient der körperlichen und der seelischen Schmutzbefreiung (»Ein heiliger Raum zur Selbstreinigung«, nennt es eine Stimme) und wird für den Film von einer Gruppe von Frauen mittleren Alters genutzt.

Wir sehen und hören die praktischen Rituale des Feuermachens, der Güsse, Beschwörungen und des Wedelns mit Zweigen. Und wir hören Bekenntnisse, die auf fast manische Art um frauenspezifische negative Erfahrungen von Bodyshaming bis Vergewaltigung kreisen. So entsteht im Verlauf des Films hinter dem uns vertrauten Bild eines modernen, emanzipierten und vorbildlich digitalisierten Estlands das einer reaktionären Dunkelwelt, die von männlicher Gewalt, Sprachlosigkeit und Tabus durchzogen ist.

Die Bilder zu diesen Bekenntnissen zeigen die nackten Körper der Frauen im pastosen Halbdunkel, oft ineinander verschränkt und gestaffelt, übernah oder angeschnitten. Meisterlich gelungen ist der Filmemacherin und Kameramann Ants Tammik dabei ihr Ansinnen, diese Körper jenseits von Voyeurismus oder Prüderie zu zeigen. Dazwischen gibt es zur Erholung von der Enge und den Beklemmungen der Erzählungen in der Hütte immer wieder auch kurze Exkurse nach draußen ins Eiswasser oder in den See, während die Filmmusik von Edvard Egilsson gern in ätherischen Sphären schwelgt. Herausfordernd auf der technischen Seite war die Notwendigkeit, die Kamera beim Drehen in der feuchten Hitze der Sauna funktionsfähig und unbeschädigt zu halten.

Sieben Jahre und viele Saunasitzungen hat die junge Regisseurin mit ihren Protagonistinnen gedreht und daraus einen Film montiert, der nach einem dramaturgisch konventionellen Klimax am Ende in gemeinsame kathartische und ekstatische Entspannung  mündet und die oft traumatischen Erfahrungen mit den Schweißtropfen von den Körpern fließen lässt. Die dazu intonierten rhythmischen Gesänge erinnern an die spirituellen Chants nordamerikanischer Indigener. Insgesamt überzeugt Hints Film, der dieses Jahr auf dem Sundance Festival einen Regiepreis erhielt, in seinen gelungenen visuellen Entscheidungen mehr als in der inhaltlichen Substanz, die in ihrem Verharren bei den typischerweise als »weiblich« ausgewiesenen Themenwelten das Frausein doch wieder naturalisiert.

Meinung zum Thema

Kommentare

Diese Sauna ist ein geschützter Raum, in dem man jenseits von Rollenklischees über die Themen reden kann, die wichtig sind. Das mag so daherkommen, dass es typische Frauenthemen sind. Aber was sind typische Frauenthemen? Ich könnte mir nicht vorstellen, dass man hier über den Job, Fußball, das Hobby Motorradfahren o.ä. reden wollte. Das brauchen diese Frauen nicht. Man spürt ihre Power auch so. Ihre Berichte sind so intim, dass man erschüttert ist, und sie zeugen einmal mehr davon, dass Frauenleben immer noch großen Repressionen ausgesetzt ist.

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