Kritik zu Willkommen auf Deutsch
Die Dokumentarfilmer Hauke Wendler und Carsten Rau beschäftigen sich mit der Lage von Flüchtlingen in Deutschland und zeigen angenehm unaufgeregt sowohl deren oft bitteres Schicksal als auch die Beweggründe der Asylgegner
Nebelschwaden tauchen die Landschaft in eine magische Ruhe. Verschlafen drehen sich die Rotorblätter der Windkraftanlage vor dem Sonnenuntergang. Der Landkreis Harburg, ein norddeutsches Idyll. Ausländerfeindlich ist man hier nicht, betont Hartmut Prahm von der örtlichen Bürgerinitiative. Doch die Zahl 53 treiben ihn und viele andere der 415-Seelen-Gemeinde Appel südlich von Hamburg um. So viele Asylbewerber sollen hier in einem leerstehenden Altenheim untergebracht werden. Dagegen mobilisiert sich Widerstand. Doch der Tonfall bleibt gesittet, meistens. Bei der Bürgerversammlung hört man erhobene Stimmen. Stumpfer Ausländerhass vom Stammtisch klingt aber anders.
Hauke Wendler und Carsten Rau nehmen sich Zeit, um die Stimmungslage in zwei norddeutschen Dörfern auszuloten. Ihr Dokumentarfilm Willkommen auf Deutsch beleuchtet die Asylproblematik aus vier verschiedenen Perspektiven. Neben dem Vertreter einer Bürgerinitiative dokumentiert der Film die Arbeit des Fachbereichsleiters von der Kreisverwaltung. Der Mann aus dem Büro A-216 muss die Unterbringung der Asylanten verwaltungstechnisch durchsetzen. Er will »eine Willkommenskultur« etablieren, doch an seiner Mimik ist abzulesen, dass solche Sprachhülsen den Unmut der Bürger nicht übertünchen können.
Die Dokumentation dieses Streits um die Unterbringung von Flüchtlingen wird ergänzt durch Blicke auf Schicksale einiger Asylbewerber. In Tespe, einem anderen Dorf desselben Landkreises, begleitet die Kamera ein pakistanisches Paar, das in der Heimat aufgrund seiner gemischten Religionszugehörigkeit verfolgt wird. Mit den Beobachtungen einer sechsfachen tschetschenischen Mutter, die während des bangen Wartens auf den Asylbescheid einen Nervenzusammenbruch erleidet, schließt der Film einen Kreis. Während sie in der Klinik ist, springt eine deutsche Nachbarin als Kindermädchen ein. Die Rentnerin, der man ihre 80 Jahre nicht gleich ansieht, hat Hunger und Verfolgung nach dem Weltkrieg noch selbst erlebt.
Mit dieser beherzten Zivilcourage dokumentiert der Film, dass es nicht nur Vorbehalte gegen Asylbewerber gibt. »Gute« und vermeintlich »böse« Deutsche werden dabei aber nicht gegeneinander ausgespielt. Der Film steht in der Tradition des puristischen Hinsehens, das auf Offkommentare verzichtet. Das Vertrauensverhältnis der Regisseure zu ihren Protagonisten ermöglicht eine große Intensität des Beobachtens. Dem Zuschauer wird die Position des Mitleidens nicht aufgenötigt. Auf der anderen Seite werden auch Asylgegner nicht denunziert. Unaufgeregt und undogmatisch hält der Film ein Spannungsverhältnis aufrecht. Die großen Rätsel der Welt bleiben ungelöst.
Durch ihre offene Beobachtungshaltung – und mit einer Musikuntermalung, die aus einem Pan-Tau-Film stammen könnte – vermitteln Wendler und Rau, dass es bei der Asylproblematik keine Deutungshoheit gibt. Ihnen ist ein Film gelungen, der sehr menschlich ist und zugleich deutlich macht, dass Menschlichkeit nie ohne Konflikt zu haben ist.
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