Kritik zu Toro
Gegensätze in Schwarz-Weiß: In Martin Hawies Film geht es um einen Boxer aus Polen und einen drogensüchtigen Spanier, die sich ihren Lebensunterhalt in Köln mit Prostitution verdienen
Die Welt von Toro ist schwarz-weiß. Nicht nur, weil Martin Hawie seinen Abschlussfilm an der Kunsthochschule für Medien in Köln in Schwarz-Weiß gedreht hat. Vielmehr weil die Immigrantengeschichte, die er darin erzählt, auf Oppositionen aufbaut: Da ist Titelfigur Toro, eigentlich Pjotr, ein katholischer Boxer aus Polen, der sich seine Homosexualität nicht eingesteht. Da ist Victor, sein Freund aus Spanien, den die Drogensucht fest im Griff hat. Beide verdienen ihr Geld in Deutschland mit Prostitution, Toro macht Hausbesuche bei Damen, die seine Kraft und Ausdauer schätzen, Victor geht notgedrungen und widerwillig auf den Schwulenstrich. Abends treiben sie sich gemeinsam herum und träumen von einer glücklicheren Zukunft. Toro will in Polen ein Boxstudio eröffnen und dort als Trainer arbeiten, und seinen besten Freund, der schon lange nicht mehr weiß, was er eigentlich will, will er selbstverständlich mitnehmen. Einstweilen trainiert er in einer Fabrikruine einen schwarzen Jungen, der vollkommen auf sich gestellt in seinem Auto lebt. Weiß und schwarz. Schwul und hetero. Aktiv und passiv. Mann und Frau. Zusammen und allein. Klingt simpel, ist es aber nicht.
Denn Victors Schwester Emilia reist aus Spanien an, auch sie auf der Suche nach dem schnellen Geld und dem guten Leben, und alles gerät aus den Fugen. Victor nämlich hat Schulden bei den falschen Leuten, die wiederum in Emilia die Möglichkeit eines Geschäfts sehen, und mit einem Mal ist Toros Erspartes im Versteck im Sandsack nicht mehr sicher und der Traum vom Boxstudio geplatzt. Glaube und Sünde. Verbrechen und Strafe. Himmel und Hölle.
Angesiedelt im Köln der Gegenwart, vereint »Toro« die geradezu zwanghaft in Richtung Untergang weisende Erzählstrategie des Film noir mit melodramatisch fungierenden Handlungselementen wie der alle ins Unglück stürzenden Femme fatale, die in diesem Fall auch ein Mann, Victor, sein könnte. Das Ergebnis wendet Hawie sodann auf ein Coming-out-Drama an. Denn tief unter der aus schablonenhaften Figuren und plakativen Ereignissen zusammengesetzten Oberfläche steckt die eigentliche Geschichte über den schwul-katholischen Schuldkomplex, mit dem Toro sich herumschlägt, ohne das doch recht zu begreifen. Welche Sünde wiegt wohl schwerer: einen Mann zu lieben oder eine Liebe zu töten? Leider hat keiner der Gottesdiener, die Toro im Verlauf des Films aufsucht, Zeit für seine drängende Frage, und irgendwann läuft er dann nur noch wie ein offenes Messer durch die Gegend, ein stiernackiges Muskelpaket, das unter der Last seiner nicht reflektierten Gefühle schier zusammenbricht. Toro reagiert, wie Männer eben reagieren – beziehungsweise wie der überwiegende Teil der Regisseure und Drehbuchautoren glaubt, dass Männer reagieren müssten; weswegen immer wieder unartikulierte Berserker wutschnaubend über die Leinwände toben, alles zu Klump hauen und hinterher in Tränen der Reue ausbrechen. Es ginge freilich auch anders, doch Hawie fügt den Klischeebildern leider nichts Neues hinzu. Wie gesagt, die Welt von »Toro« ist schwarz-weiß.
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