Kritik zu Tiger Factory
Der globalisierte Dschungel: Woo Ming Jin erzählt die Geschichte der Bewusstwerdung einer jungen Frau im Milieu chinesischer, indischer und burmesischer Arbeitsmigranten in Malaysia
Auf den ersten Blick hat Ping Ping, die 19- jährige Protagonistin dieses Films, nichts mit einer geschmeidig starken Tigerfrau gemein. Die verschlossene junge Handlangerin aus der großen chinesischen Community rund um die Hauptstadt Kuala Lumpur trotzt mit gleichförmigen Arbeitsroutinen der tropischen Hitze und scheint alle Daseinsübel stoisch hinzunehmen. Und doch überträgt sich die geborene Schönheit dieses chinesischen Aschenputtels. In fließenden, respektvoll Abstand wahrenden Bewegungen folgt die Handkamera der jungen Hauptdarstellerin Fooi Mun Lai wie einem kommenden Star. In entschleunigter Zeitdramaturgie und elliptischer Erzählweise baut dieser kleine Autorenfilm Spannung auf, die mehr als nur ein implodierendes Elendsdrama verspricht.
Der 35-jährige malaysische Regisseur Woo Ming Jin, dessen Filme in den letzten Jahren auf allen großen Festivals zu sehen waren, beschreibt in Tiger Factory quasi dokumentarisch die verzweifelten Überlebensstrategien von chinesischen, indischen und burmesischen Arbeitsmigranten in seinem Land. Ping Ping, die am Stadtrand von Kuala Lumpur gestrandet ist, pendelt zwischen verschiedenen Arbeitsplätzen in der labyrinthischen Gewerbezone.
Das, was sie zu einem besseren Leben braucht, kann sie mit dem Lohn für ihre Plackerei nicht erreichen. Morgens füttert sie Schweine in einem groß angelegten dörflichen Mastbetrieb, abends wäscht sie am Hafen in großen Wassertrögen das Geschirr einer Imbissbude ab. Die kleinen Tricks, an Geld zu kommen, z. B. der illegale Verkauf des Schweinedopings, verfangen am Ende nicht. Ping Ping besitzt nur eine Matratze in einem unmöblierten Minizimmer, zu dem sich ihre Tante, Madame Tien (Pearlly Chua), Zugang verschaffen kann.
Die Tante mit dem versteinerten Gesicht betrügt das Mädchen bei einem Sklavendienst, der endlich genug Geld hätte einbringen können, um die Flucht aus der Misere zu bezahlen und in Japan ein neues Leben zu beginnen. Madame Tien verkuppelt nämlich burmesische Migranten mit ausgewählten Mädchen, um die Babys aus diesen kontrollierten sexuellen Begegnungen an Adoptionseltern zu verkaufen.
Einmal schon ließ sich Ping Ping auf den Handel ein, bekam jedoch kein Geld, weil ihr Kind angeblich nach der Geburt starb. Als sie ein zweites Mal den Handel riskiert, dabei Gefahr läuft, sich hoffnungslos in ihren Sexpartner, einen gutmütigen burmesischen Familienvater zu verlieben, und zudem aus beiläufigen Gesprächen vom Betrug der Tante Wind bekommt, eskalieren die Ereignisse. Zum ersten Mal drängt das Mädchen auf das ihm zustehende Geld. Mit leisen, indirekten, aus der Not heraus auch unfairen und gefährlichen Methoden entledigt es sich des fremden Zugriffs. Ihr regloses Gesicht verbirgt die Härte ihrer Erfahrungen, wenn sich die junge Chinesin am Ende für eine ungewisse Zukunft bereitmacht. Fernab von europäischen Konventionen der Psychologisierung erzählt Tiger Factory diese verlustreiche Emanzipationsgeschichte äußerst eindringlich.
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