Kritik zu Mein Name ist Violeta
Marc Parramon porträtiert in seinem Film katalanische Transgender-Jugendliche und vertieft sein dokumentarisches Essay durch eine materialreiche Rückschau auf den Umgang mit LGBT-Personen in der Franco-Ära
Gerade wird vielerorts heftig über den Umgang mit LGBT-Personen und -themen gestritten. In Polen und einigen US-Staaten wurde die Sichtbarkeit queerer Menschen unter dem Vorwand des Kinderschutzes stark eingeschränkt. Und auch bei uns gibt es von rechtskonservativer Seite den Vorwurf, etwa in den öffentlich-rechtlichen Medien würden LGBT-Themen künstlich gepusht und in Kindersendungen werde gegen die »normale« Familie indoktriniert. Die Angegriffenen betonen den Unterschied zwischen Information und Propaganda und die Bedeutung von Aufklärung über Diversität, um die Betroffenen aus Isolation und Ängsten zu befreien.
Die Komplexität dieses Sachverhalts illustriert eine erzählte Situation dieses Films, in der dem kleinen Ignacio eine Dokumentation über einen Transjungen seine eigene Transidentität fast schlagartig erhellt. So berichten es jedenfalls er und seine Eltern. Gezeigt hatte ihm seine Mutter die Doku, weil ihr Sohn nach ihrer Einschätzung gegen männliche Rollennormen verstieß, wenn er mit Puppen spielte oder auf Mamas Stöckelschuhe stand. Mit elf Jahren änderte Ignacio dann privat den Namen in Violeta und ging erstmals in Mädchenkleidung zur Schule. Doch die Mitschüler*innen, die ihn vorher wegen seiner Vorliebe für Mädchenspiele verspottet hatten, hänselten ihn nun in der neuen Rolle. Zum Glück gaben die ebenfalls geforderten Eltern und Lehrerinnen Rückhalt. Doch es bleiben Sorgen um die nahende Pubertät und der Dauerclinch mit den Behörden.
Ignacio/Violeta ist nur eine von mehreren Protagonist*innen in diesem Film des Regisseurs Marc Parramon, der neben junge katalanische Transgender und ihre Familien queere Pionierinnen aus den Zeiten der Franco-Ära stellt, als vom reaktionären Familienbild Abweichende als »sozial-gefährliche Personen« mit Gewalt bekämpft wurden. Heute sind eher massive soziale Ausgrenzung und bürokratische Hürden das Problem. Im emotionalen Zentrum des Films steht dabei prototypisch der junge Alan, der sich auch wegen Mobbings in seiner Schule das Leben nahm. In seiner Heimatstadt Rubi trieb sein Suizid Zehntausende Menschen auf die Straße. Darunter seine Mutter, die nun ihre Überlebenskraft daraus zieht, andere Jugendliche in ähnlicher Lage praktisch, moralisch und politisch zu unterstützen.
»Me llamo Violeta« (so der Originaltitel) ist mit einem visuellen und inszenatorischen Stilmix aufgesplittert erzählt, wobei filmisch selbstreflektierende Einschübe die den Filmproduzenten von außen nahegelegte Anonymisierung ihrer minderjährigen Hauptfigur problematisieren. Deutlich wird im Film die negative Energie heteronormativer Dominanz ebenso wie die positive Kraft gegenseitiger Unterstützung. Doch in der zunehmenden Zentrierung auf den körperlichen Umwandlungsprozess gehen wichtige Fragen unter – auch weil die von den Protagonist*innen betriebene Reduzierung von Genderidentität auf das individuelle Rollenbild nie auf gesellschaftliche Hintergründe befragt wird.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns