Kritik zu Giraffada
Das Schicksal einer Giraffe nimmt der palästinensische Regisseur Rani Massalha zum Anlass, um aus kindlicher Perspektive vom Israel-Palästina-Konflikt zu erzählen
Keine spektakulären Bilder, keine dramatische Story mit tausend Wendungen, kein Soundtrack, der einen aus dem Sessel hebt: Nein, »Giraffada« ist ein Film, in dem der Alltag an sich schon so dramatisch ist, dass er keine erfundene Story braucht, um ihn sehenswert zu machen. Die vorgefundenen realen Kulissen generieren Bilder, die man nicht vergisst und das Ende ist alles andere als ein wirkliches Happy End. Denn hier, im palästinensisch-israelischen Konflikt kann es kein Happy End geben.
Der Junge Ziad bangt um das Leben einer Giraffe. In der palästinensischen Westbank, in einem Ort namens Qalqilya gibt es den einzigen Zoo Palästinas und nach einem Luftangriff stirbt der Giraffenbulle. Rita, das trächtige Weibchen, verweigert fortan die Nahrung und gerät deshalb in Lebensgefahr. Ziads Vater Yacine ist Tierarzt und versucht alles, um Ritas Leben zu retten, aber in Zeiten kämpferischer Auseinandersetzungen ist das noch schwieriger als gewöhnlich. Zudem hat der Zoodirektor wenig wirkliches Interesse daran, Geld in seine Tiere zu investieren. Korruption auch hier, seine Geburtstagsparty zu finanzieren ist wichtiger, als sich für die Gesundheit der Tiere einzusetzen. Ausgangssperren, regelmäßige Kontrollen und Schikanen am Checkpoint machen die Ausübung des Veterinärberufs noch komplizierter.
Aber manchmal lässt das quälende Gefühl der eigenen Ohnmacht auch den geduldigsten Menschen über sich hinauswachsen und Yacine entwickelt einen verrückten Plan. Vater und Sohn versuchen mit Hilfe einer französischen Journalistin, einen Giraffenbullen aus dem Zoo Tel Avivs über die Grenze zu schmuggeln. Das hört sich so waghalsig an, wie es ist, und zeigt einmal mehr die ganze Absurdität der Situation der Menschen in diesem aussichtslosen Konflikt. Und weil die Story nach einer wahren Begebenheit aus dem Jahr 2002 erzählt ist, sei hier einmal mehr der häufig bemühte Satz zitiert: »Die besten Geschichten erzählt immer noch das Leben.«
Der Regisseur Rani Massalha musste in seinem Debüt lediglich die vorhandenen Orte der Westbank aufnehmen, um die Enge und Ausweglosigkeit der Menschen dort abzubilden. Wenn Ziad auf seinen täglichen Wegen an der kolossalen Mauer vorbeikommt, wenn er das Gemüse im Schatten dieser Grenze gießt oder von seinem einzigen Ruheplatz über das begrenzte Tal schauen kann, dann erzählen die Bilder mehr von der ohnmächtigen Wut und Frustration der Eingesperrten als die Versammlung der aufgebrachten Einwohner nach dem Bombenangriff. Die ruhigen Bilder lassen den Terror umso lauter toben, zwischen all dem Chaos wandelt Yacine stoisch umher, besorgt um seinen Sohn, der so sehr um die Giraffe bangt. Und dann gibt es zum Schluss doch noch ein spektakuläres Bild, wenn die Giraffe über die Grenze schreitet. Eine absurde Metapher. Der Giraffenbulle ist so groß und unübersehbar wie der Konflikt, aber niemand hält ihn auf.
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