Der Nerd wird bleiben
Simon Pegg und sein britisch geprägter Humor sind in Deutschland noch nicht wirklich angekommen, obwohl sich auch hierzulande die Fans der »Cornetto«-Trilogie mehren. In Peter Chelsoms Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück spielt er die Titelrolle
Es gibt Filme, die sind eine Offenbarung – in Deutschland aber jenseits von Fankreisen so unbekannt, dass man schier verzweifelt. So verhält es sich mit der »Cornetto«-Trilogie, mit der Simon Pegg im angelsächsischen Sprachraum Kultstatus errang; sein Buch »Nerd do well« wurde ein Bestseller. Hierzulande aber ist der 1970 in Gloucester geborene Brite allenfalls als »Scotty« im Star Trek-Revival bekannt, und vielleicht noch als der steife, irgendwie ulkige Assistent von Tom Cruise in Mission: Impossible. Vielleicht ist Simon Pegg als Komiker zu britisch-leisetreterisch für das große Publikum. Schon das Äußere: erdbeerblonde Stoppelhaare, bleiche Haut und ein Blick wie ein Nacktmull, der, aus einer Höhle gezerrt, erschrocken ins Licht blinzelt. In seinem Durchbruch, der romantic zombie comedy Shaun of the Dead (2004), ist seine bevorzugte Höhle der Pub. Die Antiheldenrolle eines Slackers, der seine Plattensammlung und die Beziehung zu seinem besten Kumpel mehr pflegt als die zu seiner Freundin, hat sich Pegg selbst auf den Leib geschrieben. Jene Dada-Szene, in der Shaun zu verkatert ist, um beim Einkaufen zu merken, dass Zombies um ihn herumschlurfen, zählt zu den großen Momenten der jüngeren Filmgeschichte.
Schon zu Anfang spezialisierte sich Simon Pegg auf Losercharaktere, die direkt aus einem Nick-Hornby-Roman stammen können. Mit »Laddism« bezeichnen die Briten das Verhalten von Berufsjugendlichen, die, jenseits von Verantwortung, Familiengründung und Bausparvertrag, mit ihren Kumpels in einem Paralleluniversum aus Computerspielen, Fantasyfilmen, Comics, Fußball und Rockmusik vor sich hin dümpeln. Simon Pegg schien die Rolle des verschlumpften Geeks, der unnützes Wissen um Fantasy-Epen anhäuft, zur zweiten Natur zu werden. Nach seinem Studium schrieb er seine Diplomarbeit über Marx und Star Wars, und seinen Seelenverwandten Nick Frost lernte er kennen, als er das Quieken von Chewbacca nachahmte und nur von Star Wars-Fan Frost verstanden wurde.
Neben Busenfreund Frost (Cuban Fury) zählt Regisseur Edgar Wright zu seinen Weggefährten. Mit ihnen entwickelte Pegg 1999 die TV-Sitcom Spaced. Die Serie über einen Comicverkäufer, der mit einer Möchtegernschriftstellerin zusammenzieht, wurde Kult. Eine Spaced-Episode lieferte die Inspiration zu Shaun of the Dead; in den weiteren Filmen der Trilogie, Hot Fuzz (2007) und The World’s End (2013), spielte Pegg einen übereifrigen Polizisten in einem scheinbar friedlichen Dorf und einen Desperado, der mit seinen arrivierten Kumpels zum traditionellen »pub crawl« aufbricht und Aliens aufstört. War Shaun of the Dead ein Low-Budget-Film, so fand in den nächsten beiden Filmen ein regelrechtes Gipfeltreffen britischer Mimen, darunter die Ex-Bonds Timothy Dalton und Pierce Brosnan, statt – alles in der entspannten Atmosphäre von Jungs, die nichts weiter wollen als Quatsch machen. Und von wegen unnützes Wissen: In der surreal angehauchten Trilogie werden popkulturelle Muster aus Actionthrillern und Horrorfilmen so kenntnisreich und zärtlich aufs Korn genommen, dass einem warm ums Herz wird.
Peggs filmische Schrullen sind eben keine Satire, sondern eine liebevolle Hommage an neuzeitliche Exzentriker und eine Absage an das Coolsein. Wie unvereinbar die Humorkulturen sind, beweist sein amerikanischer Ausflug Paul (2011), in dem Pegg und Frost als britisches Duo auf dem Weg zur Comic-Con in San Diego einem leibhaftigen Außerirdischen begegnen. Im Gegensatz zu den schüchternen Erdlingen vertritt Trickfilmfigur Paul als kiffender, großmäuliger Slacker, der ständig die Hosen runterlässt, jenen aggressiven Analhumor, mit dem z.B. Seth Rogen (der im Original Paul vertont) prominent wurde.
Privat ist Pegg ein Intellektueller, der aus dem Stand Baudrillards Verdikt über die popkulturelle Infantilisierung zitieren kann, er weiß jedoch auch: »Nerdiness ist für die Ewigkeit«, und formuliert das wohl überzeugendeste Argument: »Ihr Frauen da draußen, wenn ihr mit einem Typen ausgeht, der nur gut aussieht, der kann nicht euren Computer reparieren.«
Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück startet am 14.8.
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