Kritik zu Lebenszeichen – Jüdischsein in Berlin

© Salzgeber

2018
Original-Titel: 
Lebenszeichen – Jüdischsein in Berlin
Filmstart in Deutschland: 
23.08.2018
L: 
83 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Alexa Karolinski (»Oma & Bella«) setzt ihren Zyklus über den jüdischen Alltag im heutigen Deutschland fort

Bewertung: 3
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Am Ende des Films wird der Festtagstisch gedeckt sein, die zahlreichen Mitglieder der Großfamilie werden sich um ihn herum versammeln und ein vielstimmiges Gemurmel wird von regem Austausch künden. Zunächst aber dreht eine elegante Frau Runde um Runde um die lange Tafel, sie legt Teller und Besteck auf und stellt Gläser hinzu, sie rückt Gedecke und Stühle zurecht, faltet Servietten, schneidet Blumenschmuck und platziert Kerzenleuchter.

Dazu erzählt sie, wie sie, die gebürtige ­Kanadierin, ihrem geliebten Mann nach ­Berlin folgte und sich bei ihrer ersten Fahrt durch die Stadt über die vielen, vielen Chanukka-Leuchter in den Fenstern der Häuser wunderte. Das seien keine Chanukka-Leuchter, sagte da der Mann, das sei eine bei den Berlinern besonders beliebte Weihnachtsdekoration. Und schon fühlte sich Frau ­Karolinski, die ohnehin nur unter Vorbe­halten und mit großen Bedenken anreiste, ein wenig unbehauster und noch ein bisschen fremder. Wie soll man leben, als Jüdin, im Land der Täter? Wie fühlt es sich an, unter Polizeischutz in eine Synagoge zu gehen? Wie reagiert man auf die latente Drohung antisemitischer Aus- und Überfälle? Oder: Wie antwortet man als junger Mann mit dunklen Locken und schwarzen Augen auf die neugierige Frage arabischstämmiger Gleichaltriger, woher man denn käme? Was sagen, wenn die Region gefragt ist, die Religion aber die eigentliche, doch zugleich konfliktträchtige Antwort wäre?

Zu Beginn ihrer Dokumentation »Lebenszeichen – Jüdischsein in Berlin« spricht die 1984 ebendort geborene Regisseurin Alexa Karolinski mit ihrer Mutter und mit ihrem Bruder. Die Familienverhältnisse muss der Zuschauer sich aus dem Gespräch heraus erschließen. Kein Insert verrät Namen oder Funktion der Sprecher, und so ergeht es auch den vielen anderen Frauen und Männern, aus deren Erinnerungen, Beobachtungen und Einschätzungen dieser Film sich zusammensetzt. Freilich lässt sich erraten, dass es sich hier um einen Historiker, dort um eine Überlebende und da um engagierte Ehrenamtliche handelt; und natürlich lässt sich argumentieren, dass es in einer Bestandsaufnahme der, so Karolinski, »Banalität des jüdischen Alltags« nicht ums Individuelle geht, sondern ums Atmosphärische. Man sieht also Stolpersteine, Mahnmale, Gedenktafeln und hört jüdischen und nichtjüdischen Deutschen aus drei Generationen zu, die mehr oder weniger anekdotisch mal dies und mal jenes erzählen. Man sieht, wie in einer Stadt, die sich heute viel zugute hält auf ihre Multikulturalität, mit einem schweren geschichtlichen Erbe umgegangen wird und wie alltäglich dieser Umgang mittlerweile geworden ist.

2012 feierte Karolinski mit ihrem Debüt »Oma & Bella«, einem Porträt ihrer Großmutter und deren bester Freundin, beide Holocaustüberlebende, einen beachtlichen Erfolg und wurde für einen Grimmepreis nominiert. »Lebenszeichen« nun bildet den zweiten Teil einer geplanten Trilogie, die sich dem jüdischen Leben im heutigen Deutschland widmet, bietet aber wenig mehr als eine willkürlich wirkende Sammlung von Impressionen. Sozusagen ein typischer Mittelteildurchhänger.

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