Kritik zu Ein großes Versprechen

© Filmperlen

2021
Original-Titel: 
Ein großes Versprechen
Filmstart in Deutschland: 
09.06.2022
L: 
90 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Wendla Nölle erzählt in ihrem Spielfilmdebüt von einer destruktiven Beziehungs­dynamik eines grund­sätzlich einander zugetanen Paares im letzten Lebensdrittel

Bewertung: 3
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Es ist ein Moment absoluter Intimität, bedingungsloser Nähe zweier Menschen: Eng umschlungen liegen sie im Bett, streicheln gegenseitig ihre welk werdende Haut, küssen sich innig. Er sei nun ganz offiziell alt, sagt die Frau freundlich zu ihrem Mann, der an diesem Tag zum letzten Mal als Professor zur Uni gehen wird. Sie verbindet damit wohl auch die Hoffnung, ihren Mann endlich für sich zu haben. Im nächsten Moment sieht man sie seltsam verkrampft im Garten sitzen und Blumen arrangieren. Denn tatsächlich ist es Juditha, die gebrechlich ist. Seit Jahren leidet sie an Multipler Sklerose. Erik, dieser große, etwas bullige Mann, strotzt vor Vitalität – noch. »Ein großes Versprechen«, das Spielfilmdebüt von Wendla Nölle, kreist um die Frage, wie eine Frau und ein Mann, die einander grundsätzlich in liebevoller Zuneigung zugetan sind, deren Bedürfnisse und Möglichkeiten aber diametral auseinanderlaufen, das letzte Drittel des Lebens gemeinsam gestalten.

Mühsam kann sich Juditha (Dagmar Manzel) am Anfang noch mit einem Stock durch Haus und Garten bewegen, mit einem Greifarm fischt sie die Post aus dem Briefkasten neben den Treppen, Tassen aus dem Schrank. Sie verbringt ihre Zeit mit der kunstvollen Gestaltung von Blumen und dem Beobachten der Vögel. Gearbeitet hat sie schon lange nicht mehr, auch nicht als die Krankheit es noch und die inzwischen erwachsene Tochter es wieder zuließ. Mit nur einem kleinen Nebensatz deutet Erik (Rolf Lassgård) sein spätes Unbehagen darüber an.

Doch dann verschlechtert sich Judithas Zustand dramatisch, Erik ist zusehends überfordert, reagiert mit Panikattacken und Herzrasen. Liebevoll, nicht immer ganz sensibel versucht er, Judithas und seinen Alltag zu erleichtern. Doch Juditha lehnt, mal mit Charme, mal voller Sturheit, jede Hilfe ab, sei es eine Putzhilfe, einen Rollstuhl oder höhenverstellbare Küchenschränke. Dafür verlangt sie Erik alles ab. Der aber will noch leben, fühlt sich im Haus eingesperrt, von den »Wänden erdrückt«, wie er mehrfach sagt. Mit einer eindrücklichen Körperlichkeit spielt Manzel diese im Verfall begriffene Frau. Sie ist nicht unsympathisch oder herrisch und doch von einem zerstörerischen Egoismus. Stets adrett gekleidet genügen ihr Haus und Garten – und Erik, doch der entzieht sich.

Regisseurin Nölle rückt die Menschen in den Mittelpunkt, die Kameramann Nikolai von Graevenitz in Bilder voller Traurigkeit und Einsamkeit überträgt. Mal sitzt Juditha in dem mit großformatigen Pflanzenmotiven tapezierten Haus oder im Rollstuhl im Gang eines Pflegeheims, mal steht Erik bei einem Spaziergang vor einer dichten, hohen Hecke, hinter der trainierende Cheerleader plötzlich emporhüpfen. Jeder der beiden ist abgeschottet von der Außenwelt. Als Paar finden sie nicht mehr zusammen. Wie konnte ein sonst so miteinander zärtlich und liebevolles Paar derart auseinanderdriften? Noelles Film deutet das nur an, seine Konzentration auf Juditha und Erik grenzt allerdings stückweise auch den Zuschauer aus.

Meinung zum Thema

Kommentare

Ich habe selbst seit 38 Jahren MS allerdings den schubförmigen, remttierenden Verlauf. Immer wenn man Filme sieht in denen jemand MS hat, werden diese Personen als Pflegefall dargestellt und oftmals auch als psychisch anstrengend und hinsichtlich ihrer Erkrankung als ignorant. Auch diese Fälle mag es geben, allerdings ist mir noch nie so ein Fall begegnet. Leider herrscht immer noch große Unwissenheit im Bezug auf MS und ich finde es schade, dass in Filmen immer wieder so ein Bild über MS dargestellt wird und nie die positiven Verläufe und der Kampfgeist den die meisten MSler haben

Ich kann mich der Kritik von Frau Hagen nur anschließen, die ganze Darstellung der Krankheit fand ich sehr unpassend. Nein, MS muss nicht im Rollstuhl und Pflegeheim enden, es wäre schön, da mal positive Geschichten sehen zu können. Und selbst wenn der Rollstuhl unausweichlich wird, so gibt es doch trotzdem ein Leben, welches übrigens auch mit entsprechender Ausstattung und Hilfen durchaus zu Hause weitergeführt werden kann. Und ist es wirklich purer Egoismus, wenn eine erkrankte Ehefrau den Wunsch hat, dass ihr Mann nach der Verrentung Zeit für sie hat? Seine Karriere hätte er ohne ihre Hilfe schließlich auch nicht so weit vorantreiben können.
Nein, kein Film, der mir irgendwie gefallen hätte: zu düster, zu negativ, zu einseitig.

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt