Kritik zu Irrational Man
Woody Allen vermischt in seinem neuen Film einmal mehr die Höhen hochmoralischer Dostojewski-Motive mit den Niederungen des gängigen amerikanischen College-Dramas
Mit einem Film pro Jahr ist Woody Allen auch mit fast 80 Jahren noch einer der fleißigsten Regisseure überhaupt. Selbst unter seinen größten Fans – und von denen gibt es nach wie vor viele – ist es allerdings kein Geheimnis, dass er qualitativ gesehen auch einer der unzuverlässigsten ist. Und doch stellt sich immer wieder ein Gefühl der Enttäuschung ein, wenn der Altmeister schwächelt. So wie nun mit »Irrational Man«.
Am (fiktiven) Bilderbuch-College in Newport, Rhode Island, verliebt sich die junge Jill (Emma Stone), ihres Zeichens Musterstudentin aus gutem Hause mit langweilig-nettem Boyfriend, in den neuen Philosophieprofessor Abe Lucas (Joaquin Phoenix), der zu viel trinkt und sich mit einer Kreativ- und Lebensblockade inklusive Erektionsproblemen herumschlägt. Der Ausweg aus Letzterer ist allerdings nicht die zögerlich beginnende Affäre der beiden, sondern das Aushecken eines Mordplans. Der entsteht, als die beiden beim Lunch die Klage einer Fremden belauschen, die durch das moralisch fragwürdige Handeln eines Richters das Sorgerecht für ihre Kinder verlieren könnte. Doch was für Jill bloß ein spannendes Gedankenspiel ist, beflügelt Abe bald zu einer tatsächlichen Umsetzung.
Wie schon so manches Mal wagt Allen den Spagat zwischen abgründigem Thriller und leichtfüßiger Komödie. Doch wo sich »Match Point« damals zu leichtfüßig-finsteren Höhenflügen aufschwang, verplätschert »Irrational Man« leider eher als lahme Nullnummer à la »Cassandras Traum«. Das liegt zum einen daran, dass die Chemie zwischen Stone und Phoenix in ihrer vom Allen-typischen Altersunterschied beschwerten Beziehung nicht recht stimmt und diese sonst so sehenswerten Schauspieler auch nicht allzu viel zu tun haben. Aber es hat zum anderen auch mit Allens Drehbuch zu tun, das selten sonderlich lustig ist, nie den richtigen Tonfall zu finden scheint und philosophisch eher mit existenzialistischen Plattheiten und Name-Dropping als mit echter Tiefe aufwartet.
Parker Posey beweist als Abes Kollegin und Gelegenheitsgeliebte alte, fast vergessene Klasse und beschert dem Film dringend nötige Momente glaubwürdiger Menschlichkeit. Zusammen mit den sonnendurchfluteten Bildern von Kameramann Darius Khondji sorgt sie dafür, dass »Irrational Man« nicht zu dem Debakel wird, als das sich vor einigen Jahren »To Rome With Love« herausstellte. Doch der zauberhafte Charme von »Midnight in Paris« oder die bezwingende Dramatik von »Blue Jasmine« bleiben unerreicht. Und so bleibt am Ende nichts zu tun, als die Sache abzuhaken und dem nächsten Woody-Allen-Film entgegenzublicken, der in schöner Verlässlichkeit für kommenden Sommer in den Startlöchern steht. Dass Posey dann wieder mit von der Partie sein wird, stimmt – womöglich wider besseres Wissen – auf jeden Fall optimistisch.
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