Kritik zu Willkommen in den Bergen

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Charmante Sozialkomödie mit italienischer Grandezza, (fast) ohne Kitsch und Klischees

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Dass Kinder die Welt verändern können, wenn man sie fördert, ermutigt, ernst nimmt, ist eine Binse. Ebenso dass die Schule dabei eine entscheidende Rolle spielt. Es ist dadurch aber nicht weniger richtig. Vor allem ist es nicht nur ein ungemein beliebtes, sondern auch erfolgreiches Sujet. In diesem Monat laufen gleich zwei sehr unterschiedliche solcher »Bildungsdramen« an. Während »Der Lehrer, der uns das Meer versprach« auf dem Hintergrund historischer Ereignisse während des Franco-Regimes in Spanien angesiedelt ist, kommt Riccardo Milanis »Willkommen in den Bergen« wesentlich leichter daher. Milani mischt Sozialdrama mit Klassenzimmer-Klamotte, Culture-Clash-Komödie mit Gesellschaftsstudie  – und lässt das Ganze wie ein Märchen enden.

Nach mehr als dreißig Jahren Schuldienst in einem römischen Vorort mit res­pektlosen Kindern hat Michele (Antonio Albanese) genug. Er will in die Provinz, »Menschen retten«, wie er sagt. Also lässt er sich in ein 360-Seelen-Dorf in den Abruzzen versetzen. In ledernen Mokassins und mit leichtem Wolljacket reist er im tiefsten Winter an. Die ebenso resolute wie charmante Co-Schulleiterin Agnese (Virginia Raffaele) nimmt ihn freundlich auf, auch wenn sie ebenso wenig Hoffnung hat wie die Kinder, dass es der Städter in dem abgelegenen Dorf in der Mini-Multi-Klasse mit gerade mal sieben Schülern lange aushält. Die Menschen dort fühlen sich abgehängt, haben resigniert. »Wenn alle verlieren, sind alle zufrieden«, beschreibt Agnese die Stimmung in dem Dorf. 

Erwartungsgemäß findet sich Michele schnell ein. Selbst der lokale Gruß geht ihm in kürzester Zeit problemlos über die Lippen und die Kinder respektieren und lieben ihn. Dann droht der Schule das Aus – und die kleine Gemeinschaft entwickelt eine ungeahnte Dynamik, nicht ohne die eine oder andere kleine Betrügerei, Erpressung und Korruption. So wandelt sich die harmlose Culture-Clash-Komödie nach einer knappen Stunde zu einem manchmal satirischen, aber niemals zynischen Gesellschaftsdrama. 

Denn um die Schließung zu verhindern, wollen Michele und Agnese ungeliebte marokkanische Migranten und ukrainische Geflüchtete ins Dorf holen, um die Klasse aufzufüllen. Die Flüchtlingskrise als Zukunftsperspektive? Einzig die junge Lehrerin Maria (Alessandra Barbonetti) hat Bedenken, die Menschen in Not für die eigenen Belange auszunutzen. Doch Regisseur Milani lässt diesen Gedanken schnell fallen. Vielmehr heiligt der Zweck die Mittel, italienischer Pragmatismus eben. Ein kleiner Wermutstropfen in dem sonst so charmanten Film, in dem Regisseur und Cast stets die Balance zwischen Klamauk und Tragik gelingt. Die Dorfbewohner sind nicht die trotteligen Hinterwäldler, Agnese keine verklärte Grundschullehrerin, sondern eine entschlossene Visionärin. Die Kinder können Feuer anzünden und Vogelstimmen erkennen, wollen aber alle Youtuber werden. Zum Schluss tragen Skript und Bildgestaltung ein wenig dick auf. Doch Michele hat das Märchen in den rauen Bergen der Abruzzen gesucht – und wird nicht enttäuscht.

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