Kritik zu Monsieur Pierre geht online

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Nach der Senioren-WG-Tragikomödie »Und wenn wir alle zusammenziehen?« arbeitet Regisseur Stéphane Robelin in dieser Internetkomödie zum zweiten Mal mit dem mittlerweile 83-jährigen Altstar Pierre Richard zusammen

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Seit dem Tod seiner Frau hat Rentner Pierre (Pierre Richard) keinen Fuß mehr vor die Tür seiner Pariser Wohnung gesetzt. Um ihn aufzumuntern, drängt ihm Tochter Sylvie (Stéphane Bissot) den jungen Alex (Yaniss Lespert) auf. Alex soll Pierre gegen Bezahlung die Geheimnisse des Computers nahebringen. Pierre darf allerdings nicht wissen, dass Alex der Freund von Sylvies Tochter Juliette (Stéphanie Crayencour) ist. Denn Opa ist mit seiner Enkelin verkracht. Alex wiederum ist ein arbeitsloser Schriftsteller, der mit Juliette bei deren Eltern lebt und dort als Faktotum für alle Fälle herumwurstelt. Der Junge ist frustriert, der alte Mann traurig – prima Voraussetzungen, um mittels gegenseitigen Anknurrens ziemlich beste Freunde zu werden.

Als auf Pierres Bildschirm Dating-Websites aufpoppen, begreift er das Internet plötzlich ganz schnell. So schnell, dass er Alex' Bild ungefragt für sein Dating-Profil verwendet und dank seiner feinfühligen Anschriften im Nu eine hübsche Frau anlockt. Er bringt den widerstrebenden Alex sogar dazu, mit ihm nach Brüssel zu fahren, wo Alex an Pierres Stelle, aber von diesem beobachtet, zum Rendezvous mit der Belgierin Flora (Fanny Valette) geht.

Welches Fenster soll noch mal geöffnet werden? Senioren und das Internet sind ein beliebtes Komödienthema. Und die Naivität, mit der Pierre sich in das virtuelle Flirten stürzt, hat etwas Rührendes. Es ist im Grunde eine hübsche Idee, das Chatten aus Retro-Perspektive zu betrachten: Statt mit immer reduzierteren Zeichen zu kommunizieren, wird hier die Kunst des geschliffenen Gesprächs gepflegt, ausformuliert von jemand, der viel Zeit hat. Und schon befinden wir uns in einem modernen »Cyrano de Bergerac«-Szenario, in dem das altmodische Liebeswerben von Pierre dem luschigen Alex die Aura eines attraktiven Melancholikers verleiht.

So beginnt eine Scharade mit einem sich in schwankende Höhen auftürmenden Lügengebäude, gestützt von einem boulevardesken Humor, bei dem Pierre Richard auch von seinem Image als »Großer Blonder mit dem schwarzen Schuh« zehrt. Der schüchtern-schlitzohrige Oldie wird durch den grüblerisch auftretenden Yaniss Lespert sympathisch ergänzt.

Der unübersehbare Haken dieser fein ausgetüftelten Komödie ist leider die faktische Grausamkeit, mit der die Spießgesellen die gutwillige Flora hinters Licht führen – obwohl das Drehbuch alles tut, um dieses miese Verhalten ins Versöhnliche zu drehen. Eingedenk realer Dating-Scams bekommt man Gänsehaut angesichts der Vertrauensseligkeit, mit der Flora sich auf Alex einlässt. Die bildhübsche Frau, die sich in Alex und damit unwissentlich auch in dessen Ghostwriter verliebt, ist eine Männerfantasie, ein Männerwitz – und Richard übrigens für seinen Part zu alt. Haarscharf wird die Grenze zum Igitt-Voyeurismus eingehalten. So will diese Komödie einesteils an die Tradition literarischen Minnesangs erinnern. Doch die wenig ritterliche Art, Frauen wie Bauern auf dem Schachbrett zu behandeln, erinnert statt an »Cyrano de Bergerac« an die »Liaisons dangereuses«.

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