Kritik zu The Duke of Burgundy
Im neuen Film des Briten Peter Strickland (»Katalin Varga«, »Berberian Sound Studio«) verstrickt sich ein lesbisches Pärchen in sadomasochistische Rituale, die das fragile Gleichgewicht von Liebe und Macht immer wieder neu austarieren
Es gibt Filme, in die sich der Betrachter am besten einfach fallen lässt, ganz ohne Vorbehalte und Erwartungen. Dann kann der Sog der Bilder wie der Geschichte seine ganze Wirkung entfalten. Man taucht ein in eine Welt, die fremd und doch irgendwie vertraut ist, und kehrt schließlich verändert in die Realität zurück. Etwas bleibt, ein Gefühl, eine Stimmung, die gleich einem Traum, der sich beim Erwachen in vage Erinnerungen auflöst, in einem nachschwingt. Peter Stricklands »The Duke of Burgundy« ist einer dieser Filme. Ein fragiles Netzwerk aus idyllischen Naturaufnahmen und erotischen Andeutungen, flüchtigen Eindrücken und farbigen Extravaganzen umfängt einen und lässt einen nicht mehr los.
Es beginnt mit Bildern eines aus der Zeit gefallenen Idylls. Eine junge Frau im schwarzen Cape fährt mit dem Fahrrad durch eine verwunschene Landschaft und kommt schließlich an einem imposanten, alten Haus an. Als die Hausherrin an der Tür erscheint, ist ihr Ton brüsk. Cynthia (Sidse Babett Knudsen) rügt Evelyn (Chiara D’Anna) dafür, dass sie zu spät kommt, und befiehlt ihr, das Arbeitszimmer, in dem zahlreiche Schaukästen mit aufgespießten Schmetterlingen stehen, zu putzen. Es folgen weitere Arbeiten, die Evelyn in Cynthias Augen nur unzureichend erledigt, wofür sie dann im Badezimmer bestraft wird. Die Kamera bleibt in diesem Moment im Flur zurück. Die Tür ist geschlossen, so dass nur Stimmen und Geräusche nach draußen dringen. Was sich den Anschein eines Arbeitsverhältnisses gab, ist in Wahrheit das Rollenspiel eines Liebespaares.
Strickland spielt in dieser und auch in vielen anderen Szenen mit den Topoi ebenso wie mit der Ästhetik der Softcore- und Sexploitation-Filme der 70er Jahre. Wie damals bleibt auch bei ihm vieles Andeutung. So schafft er auf elegante Weise eine Atmosphäre, die sich aus Fantasien speist. Die Kraft der Suggestion verleiht seinen Bildern eine ungeheuere Macht. Erinnerungen an die rauschhaften Imaginationen von Filmemachern wie Jess Franco und Jean Rollin, Harry Kümel und Radley Metzger werden noch einmal lebendig.
Schon Stricklands frühere Filme, »Katalin Varga« und »Berberian Sound Studio«, waren hochkomplexe Hommagen an das Genre-Kino. »The Duke of Burgundy«, der in eine bukolische Parallelwelt voller Entomologinnen, aber ohne jeden Mann entführt, ist gleichsam ein Traum von einem anderen Kino. In Bildern, die der Logik der Surrealisten folgen, breitet Strickland eine Liebesgeschichte aus, die eher Vision als Erzählung ist.
Evelyn und Cynthia müssen die heiklen Machtverhältnisse in ihrer Beziehung fortwährend neu aushandeln und stoßen dabei zwangsläufig an Grenzen. Strickland zeigt die widersprüchlichen Mechanismen einer Liebe, die von gegensätzlichen Begierden überschattet wird, und schwelgt zugleich immer auch in romantischen Gesten und Situationen. Cynthias Melancholie und Evelyns Sehnsucht haben etwas Ansteckendes. Sie stoßen direkt ins Unbewusste vor. Und in allem schwingt die schmerzliche Erkenntnis mit, dass Liebe immer auch eine Frage von Macht ist.
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