Ausstellung: »Katastrophe« im Film
© Uwe Dettmar
In nicht allzu ferner Zukunft hat das Wasser den ganzen Planeten Erde überzogen. Das Leben ist nur auf, in oder mit dem Wasser möglich und wo das Wasser aufhört und der graue Himmel beginnt, ist schwer zu sagen. Die Menschen, zumindest die Eliten, haben sich nach der Katastrophe auf einen anderen Planeten, Kepler 9, gerettet – und sind dort unfruchtbar geworden. Eine Mission soll erkunden, ob das Leben auf der Erde wieder möglich ist. Das ist das Setting von Tim Fehlbaums neuem Film »Tides«, der in diesem Jahr auf der Berlinale lief. Ein Postapokalypse-Film, wie auch schon Fehlbaums aufsehenerregendes Debüt »Hell« vor zehn Jahren, der von einer gegensätzlichen Annahme ausging: einer Welt voll greller Sonnenstrahlung und ohne Wasser.
Die Filme des Schweizers Fehlbaum, produziert vom master of disaster, Roland Emmerich, sind Solitäre im Umfeld des deutschen Films. Filme, die den Zustand gewissermaßen nach dem Weltuntergang darstellen, auch Fernsehserien, haben zugenommen in den letzten Jahren, man denke nur an die Zombie-Apokalypsen oder an Filme wie »The Road «oder »Briefe eines Toten«. Und sie sind ein Untergenre des Katastrophenfilms, den sich das Frankfurter Institut in seiner aktuellen Ausstellung zum Thema genommen hat. Nicht von ungefähr heißt der Untertitel »Was kommt nach dem Ende?«.
Aber eigentlich, das zeigt auch diese Ausstellung, gibt es im klassischen Katastrophengenre kein wirkliches Ende, sondern eher die Rettung oder Erlösung. In ihren Stationen versucht die Ausstellung, die Dramaturgie des Katastrophenkinos, zumindest des konventionellen, nachzuzeichnen, fast wie im Aktschema einer Tragödie, mit der Zeichnung einer Idylle (damit die Fallhöhe umso größer ist), den Warnsignalen, der Katastrophe, den Rettungsbemühungen und dem Neuanfang, ganz signifikant zu sehen etwa in W. S. Van Dykes »San Francisco« (1936), in dem die Überlebenden des Erdbebens von 1906 singend auf die rauchende und zerstörte Stadt zugehen.
Das Team um die Ausstellungsmacherin Stefanie Plappert hat beim Design viel Holz verwendet, vielleicht auch, um Vorstellungen vom Leben danach zu beflügeln. Auf einer Großbildleinwand laufen Ausschnitte, das von Frost überzogene New York in »The Day After,« die Fluten aus »2012«, »Noah« und »Deep Impact«, der Hochhausbrand in Flammendes Inferno, der heranwabernde Meteorit in »Melancholia«, aber auch Exzerpte aus unbekannteren Werken wie »The Day the Earth Caught Fire« oder »Take Shelter«.
Eine konventionelle Filmausstellung, die etwa Exponate zur Produktionsgeschichte präsentiert, darf man nicht erwarten – auch wenn »Katastrophe« solche Materialien durchaus zeigt. Aber diese Art Ausstellung hat man in den Filmmuseen auch schon oft gesehen. »Katastrophe« nähert sich dem Gegenstand gewissermaßen interdisziplinär: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Frankfurter Naturmuseums Senckenberg geben Auskunft etwa über die ganz reale Bedrohung des Klimawandels (der ja in vielen historischen Filmen vorkommt). Und Irina Ruf analysiert den Film »Jurassic Park«, dessen Saurier durchaus realistisch gezeichnet seien, ihre Erzeugung allerdings nicht.
Die Ausstellung verdeutlicht, dass Katastrophen im Kino zwar lustvolles Schaudern bedeuten, dass aber die Geschichte des Planeten und des Menschen von Katastrophen begleitet wird, etwa durch Spiegel-Titelbilder (»Hilfe, die Erde schmilzt«). Die Katastrophen und ihre Vorahnungen gehörten zum Alltag in den letzten Jahrhunderten. Zu den schönsten Exponaten zählen Laterna-Magica-Dias aus dem 19. Jahrhundert, die ein brennendes Haus, einen Vulkanausbruch oder den Untergang der Titanic zeigen. Und es ist tröstlich zu hören, wenn Dwayne »The Rock« Johnson am Ende von »San Andreas« (2015), einem weiteren Erdbebenfilm, sagt: »Jetzt bauen wir wieder auf.«
Die Ausstellung läuft bis 9. Januar 2022
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