Interview mit Johannes Krisch über seine Rolle in »Der Trafikant«
»Der Trafikant« (2018). © Tobis Film
Herr Krisch, Ihr Regisseur Nikolaus Leytner erzählte mir, seit er das Rauchen aufgegeben hat, ist er kein Stammkunde mehr in einer Trafik. Da Sie gerade rauchen, nehme ich an, das ist bei Ihnen anders. Sie haben noch Ihren eigenen Trafikanten, der weiß, was Sie wünschen, wenn Sie hereinkommen?
Den habe ich.
Und wie begrüßt der Sie? Mit ‚Herr Professor?« Seit 2017 könnte er ja auch »Herr Kammerschauspieler« sagen?
Nein, mit »Guten Morgen« oder »Schönen Nachmittag« – je nachdem, wann ich erscheine.
Dass die Trafikanten für jeden Stammkunden einen eigenen, klangvollen Titel haben, ist demnach ein Stück weit ausgestorben?
Das ist leider fast ausgestorben, aber es gibt durchaus noch zwei, drei kleine Trafiken, wo das noch Usus ist.
Kannten Sie den Roman von Robert Seethaler schon, bevor Sie für die Verfilmung angefragt wurden?
Nein, den kannte ich nicht, ich habe zuerst das Drehbuch durchgearbeitet und habe dann den Roman gelesen.
Manche Regisseure sagen zu ihren Darstellern, sie sollten sich auf das Drehbuch konzentrieren und die literarische Vorlage gar nicht zur Kenntnis nehmen. Sie lesen immer auch die Vorlage?
Das ist nicht zwingend, aber in diesem Fall wollte ich das schon. Von der Partitur halte ich mich natürlich an das Drehbuch und nehme aus dem Roman mit, was sich zwischen den Zeilen erspürt für die Figur.
Der Trafikant im Film, also Ihre Figur, hat ein sehr klares Bild von seiner Rolle. Er gibt seinem neuen Lehrling auch gleich zu Beginn entsprechend präzise Anweisungen. Konnten Sie aus denen auch für Ihre Figur schöpfen, etwa was die körperliche Haltung anbelangt?
Was die körperliche Haltung anbelangt, ist die schon durch die Einbeinigkeit und die Krücken sehr vorgegeben. Dadurch entsteht eine andere körperliche Spannung. Die hat mir durchaus sehr geholfen für diese Figur. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden ja die Trafiken in Wien an Kriegsversehrte vergeben. Das war möglich, weil in Österreich das Tabakmonopol beim Staat lag. Diese Verschiebung der körperlichen Spannung hat mir schon sehr geholfen, sie ist auch ein Symbol der Unbeugsamkeit für diesen Mann, der im ersten Weltkrieg sein Bein verloren hat und sich auch durchaus als Fels in der Brandung sieht. Insofern ist die Körperlichkeit auch ein Ausdruck einer Stärke, die er in sich trägt.
Ich vermute, die Einbeinigkeit wird immer noch traditionell mit hochgebundenem Bein dargestellt, nicht mittels digitalem Entfernen, weil dann die Körperlichkeit nicht funktionieren würde?
Ja, das haben wir ganz altmodisch mit Hochschnüren gemacht und ich hatte zum Glück nicht nur den Regisseur am Set, der da sehr darauf geachtet hat, sondern hatte auch noch die Unterstützung meiner Ankleiderin, die immer aufgepasst hat, dass ich im richtigen Winkel zur Kamera stehe, damit man es gut kaschieren kann.
Der Titel des Romans und damit auch des Films ist ja doppeldeutig: ist der Trafikant der Alte oder aber der Junge, der schließlich dessen Tätigkeit übernimmt? Der Regisseur erzählte mir, da gab es zwischen ihm und dem Produzenten durchaus unterschiedliche Auffassungen.
Für mich ist es ganz eindeutig der Alte. Aber es geht im Film natürlich auch um den Generationenwechsel.
Nach Ihren Darstellungen in Götz Spielmanns »Revanche« (2008) und dann als Jack Unterweger in Elisabeth Scharangs »Jack« (2014) hatte ich angenommen, Sie würden jetzt im Kino ganz groß durchstarten, spielen nur noch Hauptrollen und werden der neue österreichische Filmstar. Ist das daran gescheitert, dass Ihr Engagement als Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters das zeitlich gar nicht zulässt?
Ich habe früher sehr bewusst viel Theater gespielt, weil es mich fasziniert hat (und immer noch fasziniert), vor Publikum zu spielen und ich auch den Kontakt zum Publikum brauche. Aber jetzt bin ich im fortgeschrittenen Alter und eher soweit, dass ich klein und diffizil vor der Kamera arbeite, weil es eine ganz andere Arbeit ist, die ich sehr genieße. Ich versuche schon, die Waage zu halten zwischen Theater und Film, aber zur Zeit macht mir der Film mehr Spaß.
Dafür bleiben Ihnen aber nur die Theaterferien, oder können Sie auch mal sagen: in der nächsten Saison bitte nur ein Stück…?
Das bespricht man dann mit der Direktion und wenn man es rechtzeitig anmeldet, dann bekommt man es meist auch hin mit dem Spielplan.
In den letzten Wochen waren Sie mehrfach im deutschen Fernsehen zu sehen, im jüngsten Wiener »Tatort« »Her mit der Marie!«, im ARD-Fernsehfilm »Die Angst in meinem Kopf«, in der neuen ZDF-Serie »Die Protokollantin«. Und in dem Kinofilm »So viel Zeit«, der in Kürze startet, haben Sie im Nachspann sogar einen prominenten Rollennamen, obwohl der in Ihrer einzigen Szene gar nicht fällt…
Mit dem Regisseur Philipp Kadelbach hatte ich schon gearbeitet, hier gefiel mir der Humor des Buches, so dass ich zugesagt habe. Ich mag es auch, mich dabei durch die Maske so zu verändern, so dass man als Zuschauer schon zweimal hinsehen muss.
Sie hatten auch einige Auftritte in internationalen, englischsprachigen Produktionen, in »360« von Fernando Meirelles und in Gore Verbinskys »A Cure for Wellness«…
Das sind sehr schöne Momente und Glücksfälle, wenn man in dieser Liga mitspielen darf. Allerdings kochen die genauso mit Wasser wie wir, haben aber den Vorteil größerer Budgets, wodurch man sich mehr Zeit lassen kann.
Ihr Kinodebüt haben Sie in Berlin gegeben, 1988 in Reinhard Hauffs »Linie 1«. Haben Sie damals in Berlin gelebt?
Nein, ich wurde eingeflogen und in einem kleinen Hotel untergebracht. Damals bin ich noch in Tempelhof gelandet, das war alles sehr spannend.
Hatte der Regisseur Sie auf der Bühne gesehen?
Nein, es wurde in Wien gecastet. Ich hatte damals gerade in Nigel Williams' Stück »Klassenfeind« gespielt, das ja in Berlin von Peter Stein inszeniert wurde. Ich habe dann im Film auch gesungen, das können Sie auf dem Soundtrack hören.
Das heißt, das musikalische Interesse und Talent war damals schon ausgeprägt?
Ja, das ist ein Steckenpferd, gerade arbeite ich an meinem zweiten Album. Das ist meine große Leidenschaft neben Theater und Film.
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