DVD-Tipp: "Volker Koepp: Landschaften und Portraits"
Mit Kalte Heimat wurde Volker Koepp beim Berlinale-Forum 1995 endgültig als Poet des Dokumentarfilms entdeckt. Von da an folgte ein großer Film auf den anderen, Herr Zwilling und Frau Zuckermann, Kurische Nehrung, Dieses Jahr in Czernowitz, Holunderblüte oder zuletzt In Sarmatien. Alle spielen zwischen Weichsel und Wolga, Ostsee und Schwarzem Meer – Koepps Traumlandschaft, die schon in der Antike Sarmatien genannt wurde. Koepp hat sie durch Johannes Bobrowskis Gedichtband »Sarmatische Zeit« kennengelernt. Aber Sarmatien war und ist keine Utopie vom Zusammenleben der Völker, sondern eine Region immer neuer Kriege, Vertreibungen und Umsiedlungen. Auch die Ukraine liegt in Sarmatien.
Die meisten Filme, die Koepp nach 1989 gedreht hat, konnte man im Kino, im Fernsehen und auf DVD sehen. Bisher fehlten seine Filme aus der DDR. Zu seinem 70. Geburtstag am 22. Juni sind nun zwei DVD-Editionen mit DDR-Produktionen erschienen, die eine mit kurzen Landschaftsfilmen und Porträts von 1970 bis 1987, die andere mit dem kompletten Wittstock-Zyklus von 1975 bis 1997. Eine editorische Großtat.
Mit Grüße aus Sarmatien für den Dichter Johannes Bobrowski (1972), Gustav J. (1973) und Das weite Feld (1976) hat man im Kern schon den ganzen Volker Koepp: die Faszination für die Landschaft, für Flüsse, Dörfer, kleine Städte, für ihre Gegenwart und ihre Geschichte. Und das Interesse an den Menschen, die in diesen Landschaften leben oder lebten. In Grüße aus Sarmatien verneigt sich Koepp vor Bobrowski (1917–1965), der in Tilsit geboren wurde, er spricht mit einem litauischen Dichter, zeigt mit wenigen Bildern die Schönheit Litauens, erinnert an die deutsche Besetzung während des Zweiten Weltkriegs. Auch der 80-jährige Gustav J. ist Litauer, nach dem Ersten Weltkrieg verschlug es ihn in die russische Steppe, dann nach Ostpreußen, nun lebt er in Mecklenburg. In Das weite Feld porträtiert Koepp das Dorf Häsen in Brandenburg und seine Bewohner, meist Bauern, Fischer, Hirten, und einen Lokalhistoriker, der in die Geschichte der Region zurückblickt.
Unter den Porträts finden sich auch der Filmregisseur Slatan Dudow (Kuhle Wampe) und der kommunistische Dichter Erich Weinert. Spannend zwei Frauenporträts. Tag für Tag (1979) erzählt von der Schweißerin Karin Reier, 36 Jahre alt, unverheiratet, aber mit Freundin. Sie ist Ausbilderin von Jugendlichen aus einem Jugendgefängnis, die sie wie Kollegen behandelt. Sie ist selbstbewusst, nimmt kein Blatt vor den Mund: »Diesen Schrott dürften wir gar nicht verschweißen« oder: »Aus ist der einzige gute Knopf am Fernseher«. Haus und Hof (1980) porträtiert Isolde Sperling, Agrarwissenschaftlerin mit ökologischem Bewusstsein, verheiratet, ein Sohn. Sie zerreibt sich im Konflikt zwischen Ideal und Wirklichkeit, der Angst, kritisch über das zu sprechen, was falschläuft. Vor Koepps Kamera sagen die Menschen, was sie denken, seine lockere Gesprächsführung zeigt ihnen, dass er als Freund kommt, nicht als Abgesandter der Partei, der alles besser weiß.
Von Karin und Isolde ist es nicht weit zu Renate, Edith und Elsbeth, deren Geschichte Koepp im Wittstock-Zyklus über 22 Jahre in vier kurzen und drei langen Filmen verfolgt, die beiden letzten drehte er nach 1989. Die drei Frauen sind Arbeiterinnen in dem DDR-Vorzeigetextilbetrieb »Ernst Lück« in Wittstock nördlich von Berlin. Mit der Wende verlieren sie ihren Arbeitsplatz. Vom Lebensgefühl und Lebensziel her ganz unterschiedlich, sind sie sich darin einig, Kritik zu üben, sich nichts gefallen zu lassen, sie können aufsässig sein, aber auch traurig und melancholisch. Volker Koepp und seinem Kameramann Christian Lehmann, der auch die meisten Landschafts- und Porträtfilme fotografiert hat, ist eine große Erzählung gelungen mit Momenten reiner Poesie. Im Booklet analysiert Stefan Reinecke den Zyklus höchst einfühlsam.
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