Kritik zu White Bird

© Leonine Distribution

2023
Original-Titel: 
White Bird: A Wonder Stoty
Filmstart in Deutschland: 
11.04.2024
L: 
120 Min
FSK: 
12

Marc Forster erzählt in seinem Jugendfilm vom Überlebenskampf eines jüdischen Mädchens in Frankreich – als Lektion für die verzogenen Kids von heute

Bewertung: 3
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Im besetzten Frankreich wurden jüdische Kinder aus der Schule heraus in Konzentrationslager deportiert. Die unfassbare Grausamkeit dieses Verbrechens wurde etwa in »Auf Wiedersehen, Kinder« auf Augenhöhe von Kindern zu vermitteln versucht. Auch die Vorlage von Marc Forsters Film, der Roman »White Bird – Wie ein Vogel« von Raquel J. Palacio, scheint von Louis Malles Drama inspiriert und dazu von Elementen aus Anne Franks Tagebuch. Im Zentrum stehen zwei Kinder, die 13-jährige Sara und ihr Mitschüler Julien, der aufgrund einer Polio-Erkrankung an Krücken geht. Sara, aus wohlhabendem Elternhaus und Teil einer leicht hochnäsigen Mädchenclique, achtet sorgfältig darauf, Julien, ein Arbeiterkind, zu meiden – wenn sie ihn auch nicht, wie manche Jungs, hänselt und physisch malträtiert. Im Herbst 1942 aber wird sie aus ihrer behüteten Welt gerissen, als deutsche Häscher vor der Schule stehen. Beim Entkommen hilft ihr ausgerechnet Julien, der sie in einer Scheune neben seinem Elternhaus versteckt – während sich ihr Schwarm Vincent als ihr Todfeind entpuppt.

Auf meist unaufdringliche Weise werden in dieser Überlebensgeschichte gewichtige Themen veranschaulicht: Ausgrenzung, Sadismus, die Geißel der Kinderlähmung, Fantasie und Kunst als Bewältigungsstrategie (Julien und Sara kreieren in der Scheune eine eskapistische Parallelwelt) und das Leben in einer Diktatur, in der jeder außerhalb der Familie ein Denunziant sein könnte. Gedreht in Tschechien als wenig überzeugendem Elsass-Ersatz, ist die Inszenierung dennoch wunderschön, mit stimmungsvoll verhangenen Bildern von Wald und Bauernhäusern und durchzogen von einem märchenhaften Touch.

Hier bewegt man sich auf dem Niveau eines berührenden Jugenddramas, in dem mangelnde Tiefe durch Atmosphäre und eingängige Symbolik aufgefangen wird. Die Charaktere – besonders der Eltern Juliens, die Sara rückhaltlos unterstützen – sind etwas unterkomplex geraten, was auch daran liegt, dass das Drama als Rückblende einer Rahmenhandlung im Heute eingebettet ist. Es ist gedacht als Prequel zu »Wunder« (2017) mit Julia Roberts als Heldenmutter, in dem es ebenfalls um Mobbing ging. Dieses Motiv versteht man jedoch nur in Kenntnis des Vorgängerfilms. Alles beginnt also mit Julian, dem Neuankömmling in einer New Yorker Eliteschule. Plötzlich taucht seine Oma auf und erzählt ihrem Enkel eine Geschichte, um ihm eine Lektion zu erteilen. Was hat Julian verbrochen? Das deutet nur ein Nebensatz an.

Die Verknüpfung des existenziellen Dramas des jüdischen Mädchens mit der Social-Justice-Bewegung unserer Tage wirkt unangemessen. Und die von Helen Mirren gespielte supercoole Großmutter, die mit gerecktem Fäustchen »Vive l'humanité« ruft, ist ein wandelndes Frauenmagazin-Klischee. Die spannende und tragische Geschichte dieser Kinder, die zwar fiktiv ist, aber so stattgefunden haben könnte, wird durch diesen gut gemeinten Überbau zur erbaulichen Anekdote degradiert.

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