Nahaufnahme von Alicia Vikander
Alicia Vikander in »Tulpenfieber« (2017). © Prokino
Bekannt ist sie für Kostümrollen, gern mit melodramatischem Touch. Aber eigentlich ist Alicia Vikander eine ganz gegenwärtige Schauspielerin – und manchmal, wie in »Ex Machina«, sogar ihrer Zeit voraus
Unübersichtlich waren in der »Bourne«-Trilogie eigentlich nur die großen Set Pieces. So verwirrend die schnellen Schnitte und ständigen Perspektivwechsel in »Die Bourne Verschwörung« und »Das Bourne Ultimatum« anmuten, man wusste doch immer, wo die Fronten zwischen Gut und Böse verliefen. Auf der einen Seite stand der von Matt Damon gespielte Agent, auf der anderen standen die alten Männer, die ihn zu einer Killermaschine gemacht hatten. Formal versuchte Regisseur Paul Greengrass, der vom Krieg gegen den Terror geprägten Wirklichkeit gerecht zu werden, gedanklich blieb er einfacheren Zeiten verhaftet. In »Jason Bourne«, dem fünften Teil der Serie, der zugleich Greengrass' und Damons Rückkehr zu dem Franchise markierte, verkehren sich allerdings die Vorzeichen. Während die Actionsequenzen recht klar und stringent inszeniert sind, bleiben die Fronten bis zum düsteren Epilog unklar. Die junge CIA-Analystin und IT-Spezialistin Heather Lee wechselt fortwährend die Seiten und beschwört dabei eine Welt herauf, in der es keine Gewissheit mehr gibt.
Gespielt wird diese Agentin, die in einem Augenblick verletzlich und im nächsten nur berechnend wirkt, von Alicia Vikander. Mit ihrem beinahe noch mädchenhaften Äußeren und ihrer zierlichen Figur entspricht ihre Heather Lee eigentlich dem Klischee der Frauenfiguren, die von Helden wie Damons Bourne beschützt und gerettet werden müssen. Doch genau diese Vorstellung unterläuft Vikander konsequent. Wenn sie schutzbedürftig erscheint, ist das eine Maske, die sie ganz bewusst wählt, um die Männer um sie herum zu manipulieren. Wie Bourne und dessen Kontrahent, der von Tommy Lee Jones gespielte CIA-Chef, kann sich auch der Zuschauer nie sicher sein, auf wessen Seite Heather Lee gerade steht. Und wenn sie schließlich kaltblütig nach der Macht greift, weiß man, dass die Zeit der alten Geheimdienststrategen vorbei ist und die Zukunft Menschen gehört, die die Welt wie einen Algorithmus betrachten, ohne jeden ideologischen oder moralischen Ballast.
Auf den ersten Blick erscheint Vikanders Auftritt in »Jason Bourne« eher untypisch für die 1988 in Göteborg geborene Schauspielerin, die als Teenagerin an der Königlichen Schwedischen Ballettschule in Stockholm studiert hat und die im kommenden Jahr als Lara Croft in Roar Uthaugs »Tomb Raider«-Reboot zu sehen sein wird. Bisher sind es eher Filme wie Nikolaj Arcels »Die Königin und der Leibarzt«, Joe Wrights »Anna Karenina«, James Kents »Testament of Youth«, Tom Hoopers »The Danish Girl« und Derek Cianfrances »Liebe zwischen den Meeren«, an die man bei der Erwähnung ihres Namen denkt. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass sie den Oscar als beste Nebendarstellerin für ihr Porträt der dänischen Malerin Gerda Wegener in Hoopers Transgender-Drama gewonnen hat. Für ihre noch nuancenreichere, aber auch deutlich verstörendere Darstellung der Roboter-Frau Ava in Alex Garlands »Ex Machina« war sie dagegen nur für den Golden Globe nominiert.
Seit Vikander in Nikolaj Arcels Historiengemälde »Die Königin und der Leibarzt« die englische Baroness Caroline Mathilde gespielt hat, die 1766 mit Christian VII., dem psychisch labilen dänischen König, verheiratet wurde, hat sie sich zweifellos eine ganz eigene Nische im internationalen Kostümkino geschaffen. Ihr rückhaltloses Spiel – sie gibt sich ganz den oft (selbst-) zerstörerischen Gefühlen und Leidenschaften ihrer Figuren hin – weckt Erinnerungen an die großen Stars der Goldenen Ära Hollywoods. Wie Greta Garbo und Ingrid Bergman erschafft auch sie immer wieder Frauen, die im Leiden über sich hinauswachsen.
Die untreue Königin Caroline Mathilde, die versucht, die Ideen der Aufklärung in Dänemark durchzusetzen, und die eigensinnige Schriftstellerin Vera Brittain in »Testament of Youth«, die aufgrund ihrer Erfahrungen als Krankenschwester auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs zu einer glühenden Pazifistin wird, sind klassische melodramatische Heroinen. Aber Alicia Vikander gibt ihnen einen modernen Touch. Anders als die tragischen Heldinnen früherer Hollywoodmelodramen nehmen sie ihr Schicksal letztlich selbst in die Hand. Selbst Caroline Mathilde, die am Ende bitter scheitert, hat in Vikanders Darstellung etwas von einer frühen Feministin. Indem sie ihre Lust auslebt, befreit sie sich von den Fesseln einer patriarchalischen Gesellschaft. Genau dieses Motiv variiert Vikander in »Tulpenfieber«, Justin Chadwicks Verfilmung von Deborah Moggachs gleichnamigem Roman, noch einmal.
Alicia Vikander verleiht ihren Kostümrollen zwar immer einen ganz und gar heutigen Touch. Dennoch stehen diese vor allem auf den Affekt zielenden Figuren im Schatten der Agentin Heather Lee oder auch der jungen Mozart-Enthusiastin Katarina aus Lisa Langseths »Die innere Schönheit des Universums«. Schon in diesem Sozialdrama, ihrem Spielfilmdebüt, hat Vikander ein untrügliches Gespür für die dunklen Seiten der menschlichen Seele bewiesen. Die Entschlossenheit und Kälte, mit denen Katarina schließlich auf die Psychospielchen eines selbstherrlichen Dirigenten reagiert, heben Langseths papierenes Antimärchen auf eine andere Ebene. Zudem steckt in dem Mädchen, das sich selbst neu erschafft, schon der Keim, der in Vikanders Interpretation der künstlichen Intelligenz Ava zu voller Blüte kommt. Die von einem Dotcom-Milliardär mit Gottkomplex erschaffene Androidin verwischt neben der Grenze zwischen Mensch und Maschine auch die zwischen Authentizität und Konstruktion. Vikanders Darstellung wird zum philosophischen Vexierspiel.
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