Patrick Seyboth

Filmkritiken von Patrick Seyboth

Ein mitreißender, auch erschreckender Blick auf den Mafiakrieg der 1980er und 1990er in Sizilien, mit jenem Mann als Hauptfigur, der schließlich zum Kronzeugen wurde und Hunderte andere Mafiosi vor Gericht brachte: Tommaso Buscetta. Während der Film die Cosa Nostra insgesamt ungeschönt zeigt, folgt er in der Darstellung Buscettas ein wenig zu sehr dessen schmeichelhafter Selbstdarstellung als Gentleman-Ganove
Roy Andersson bleibt seinem unverwechselbaren Stil treu und fächert in stilisierten Bildern ein Kaleidoskop der Vergänglichkeit mit Hang zum Apokalyptischen auf – von alltäglich bis absurd, von banal bis dramatisch. Das ist voller Melancholie, überrascht aber immer wieder mit Leichtigkeit
In seinem kraftvollsten und wichtigsten Film seit langem vollzieht Roman Polanski detektivisch genau und mit größter Nüchternheit die Affäre Dreyfus nach, die Frankreich um 1900 zutiefst erschütterte, und entdeckt im verheerenden Wirken von Antisemitismus und Machtmissbrauch erstaunliche Parallelen zu heute
Ein berühmter Dirigent (Peter Simonischek) soll ein Jugendorchester aus Israelis und Palästinensern zusammenstellen und wird dabei vom Maestro quasi zum Friedenscoach. Was überzeugt, sind die musikalischen Szenen, die Darstellung des Alltags der Jugendlichen sowie das kraftvolle Schauspiel: »Crescendo«
Eine nicht makellose, doch höchst sympathische Komödie mit Adam Bousdoukos, die liebevoll und mit leichter Hand von der Absurdität von Grenzen erzählt: »Smuggling Hendrix«
In einer berückenden Mischung aus Porträt und dokumentarischer Poesie erkundet der deutsche Filmemacher Rainer Komers das Wüstenkaff Barstow – auf den Spuren und mit autobiographischen Texten des Dichters »Spoon« Jackson, der dort aufwuchs, bis er wegen Mordes zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde
Haihorror der minimalistischen Sorte: Vier Teenager gehen in einer versunkenen Mayastadt auf Tauchgang und drohen zu Fischfutter zu werden. Abgesehen vom faszinierenden Schauplatz und etwas grimmigem Humor ist »47 Meters Down: Uncaged« eine eher dröge Angelegenheit, allzu unglaubwürdig und geschwätzig
Der plötzliche Tod ihrer Schwester bewirkt bei Marcela eine tiefgreifende Irritation. Undramatisch erzählend, auf atmosphärische Bilder setzend, gelingt Maria Alché in ihrem Regiedebüt die faszinierend stilsichere Erkundung eines Schwebezustands
Ritesh Batra kehrt wieder in seine Heimatstadt Mumbai zurück und erzählt eine Romanze mit Klassenbewusstsein – so liebevoll in seiner Figurenzeichnung wie authentisch in der Milieuschilderung: »Photograph«
Mit spektakulären, bislang unveröffentlichten Aufnahmen aus NASA-Archiven erzählt der dokumentarische Abenteuerfilm »Apollo 11« die erste Mondlandung nach – sehr spannend und beeindruckend montiert, aber leider auch so arm an Information wie an Kontemplation, ganz auf die Action fixiert

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