Kritik zu Willkommen im Hotel Mama
In Éric Lavaines Komödie kehrt eine geschäftlich gescheiterte Architektin zu ihrer Mutter zurück und bringt deren Leben gehörig durcheinander
Eine Frau fährt in einem roten Cabrio eine Küstenstraße entlang. Das Bild teilt und vervielfacht sich. Die Split-Screen-Einstellungen verstärken die Stimmung: Sommer, Sonne, Freiheit. Klassische Werbeästhetik, die Sehnsucht wecken soll. Die Botschaft dahinter heißt: Es ist alles nur eine Frage des Geldes. Aber darüber spricht die Werbung natürlich nicht. Das müssen schon andere übernehmen.
Éric Lavaine reproduziert zu Beginn seiner Familienkomödie nahezu perfekt den falschen Glanz der Werbeversprechen. In diesen ersten Augenblicken könnte »Willkommen im Hotel Mama« auch ein weiterer Werbespot sein, vielleicht für eine Nobelautomarke oder ein Parfüm. Doch dann fällt der Glanz wie rissiger Lack von den Bildern ab. Der Trip durch das malerische Südfrankreich ist die letzte Fahrt, die Stéphanie (Alexandra Lamy) mit ihrem schicken Cabrio macht. Die 40-Jährige hat ihr Architekturbüro nach der Insolvenz eines Großkunden verloren. Nun steht sie ohne Geld und ohne Job da. Den Wagen muss sie zurückgeben, und ihr Haus hat sie auch verloren.
Ein Bus bringt Stéphanie zurück in die Stadt ihrer Kindheit, wo ihre Mutter Jacqueline (Josiane Balasko) noch immer lebt. In deren Wohnung findet sie Unterschlupf, aber kein echtes Zuhause. Dafür ist Jacqueline zu eigenwillig. Zudem bringt die Rückkehr der Tochter ihr eigenes Leben durcheinander. So möchte die Witwe ihre Beziehung mit einem Nachbarn geheim halten. Nur verstrickt sie sich dabei in immer absurdere Situationen, die in Stéphanie den Verdacht aufkeimen lassen, ihre Mutter habe Alzheimer.
Die große Fantasie von Wohlstand und einem Leben, das nur eine Richtung, immer nach vorne, kennt, entpuppt sich als Seifenblase, die nun geplatzt ist. Also geht es für Stéphanie ganz konkret zurück, auch in die eigene Vergangenheit. In dem Moment, in dem die gescheiterte Geschäftsfrau plötzlich auf andere angewiesen ist, wird sie mit den Folgen ihrer eigenen Taten konfrontiert. Ihre Schwester Carole (Mathilde Seigner) lässt sie die veränderten Machtverhältnisse mit aller Kraft ihres früheren Neids spüren, und ihr Bruder Nicolas (Philippe Lefebvre) verhält sich genauso wie sie, als sie noch erfolgreich war. Seine herablassende Hilfsbereitschaft sind ein Spiegel, in dem Stéphanie sich selbst erkennen müsste.
Nur geht es Éric Lavaine weder um Selbsterkenntnis noch um irgendeine andere Form von Erkenntnis. Er beutet die gegenwärtige europäische Wirklichkeit nur aus. Was erst einmal wie Realismus wirkt, erweist sich als perfide Form der Manipulation. Die Konflikte, mit denen Stéphanie konfrontiert wird, sind nur Material für schale Gags. Und am Ende wird natürlich alles gut. Plötzlich ist – oh, Wunder des Kapitalismus – die Seifenblase wieder intakt. Dann kann Lavaine sogar zur Split-Screen-Technik zurückkehren. Die Werbung und ihre Ästhetik können alles vereinnahmen und in ihrem Sinne recyceln, selbst die aktuellen Krisen und ihre Folgen. Es bleibt eben alles eine Frage des Geldes, und im Notfall fällt es eben vom Himmel oder aus den Taschen einer betrügerischen Freundin.
Kommentare
Willkommen im Hotel Mama
Habe den Film mehrfach gesehen und mich jedesmal sehr gut unterhalten gefühlt. Willkommen im Hotel Mama ist kein großer, aber ein auf seine Weise dennoch großartiger Film mit hervorragenden Darstellern voller Spielwitz und Spielfreude. Die verkniffene Kritik von Sascha Westphal, der offenbar einem sozialistischen Ausbildungslager für Aushilfs- oder Nachwuchsfilmkritiker entsprungen ist, hat mich aber dann doch befremdet. Diesen Unsinn kann er doch nicht ernst meinen - oder etwa doch? Arme epd-film in der ein solch doktrinärer, trauriger, stramm politisch-korrekter Ton zu herrschen scheint.
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