Der Mann mit dem Poncho
Vor 50 Jahren, am 3. März 1965, startete der epochemachende Italo-Western Für eine Handvoll Dollar in den deutschen Kinos
Nach diesem Film war das populärste Filmgenre nicht mehr dasselbe: der Western. Seit Ende der fünfziger Jahre ging es mit dem Western wie mit dem Kino bergab, die großen US-amerikanischen Western-Regisseure hatten den Zenit ihres Können überschritten, die Cowboys waren fester Bestandteil von Fernsehserien geworden. Mit Für eine Handvoll Dollar (Per un pugno di dollari) hauchte der italienische Regisseur Sergio Leone dem so oft totgesagten Genre noch einmal Leben ein und schuf den Prototypen des Italo-Western.
Leone ließ sich inspirieren von Akira Kurosawas Yojimbo, der wiederum auf Dashiell Hammetts erstem Roman "Red Harvest" beruhte. Leone, der 1961 das Sandalenepos Der Koloss von Rhodos inszeniert hatte, war dem Samuraifilm auf dem Festival von Venedig im gleichen Jahr begegnet. Für eine Handvoll Dollar war beileibe nicht der erste italienische beziehungsweise europäische Western – aber sicherlich der folgenreichste. Zuvor schon hatte die kränkelnde italienische Filmindustrie zwei Dutzend in Amerika spielender Filme produziert – immer auch den sagenhaften Erfolg der Karl-May-Verfilmungen vor Augen, die meist in deutsch-jugoslawisch-französischer Koproduktion entstanden.
Aber Leone wollte mehr als nur eine Kopie bekannter Muster. Er legte Für eine Handvoll Dollar auch als eine Dekonstruktion der Westernmythen an. Der Fremde ohne Namen, der in das mexikanische Grenz-Städtchen San Miguel reitet, ist unterwegs ohne Auftrag und nicht im Namen einer Sache. Wahrscheinlich ist es doch das Geld, das ihn antreibt, später wird als ein zentrales Motiv des Italo-Western noch die Rache hinzukommen. Wie aus dem Nichts taucht dieser später so genannte Joe auf, ein Mann ohne Vorgeschichte, ein Mann ohne Ideale, einer, der die zwei feindlichen Familien des Städtchens gegeneinander ausspielt und das Blutbad dennoch als Lebender verlässt. Ein Film, in dem Gut und Böse eigentlich keine Rolle spielen, mit einem Helden, der auf einem Muli (nicht gerade die A-Klasse damals) in die Stadt kommt und mit einem Poncho bekleidet ist. Leone verwendete in Für eine Handvoll Dollar auch die Großaufnahme relativ exzessiv, die der klassische Western eher sparsam einsetzte.
Mit Clint Eastwood fand Leone die perfekte Verkörperung seines Antihelden – obwohl Leone eigentlich Henry Fonda für die Hauptrolle vorgeschwebt hatte. Clint Eastwood war zur Zeit der Dreharbeiten wahrlich kein bekannter Schauspieler, er war seit 1959 ein Cowboy in der TV-Serie Rawhide (deutsch: Tausend Meilen Staub) – und da noch nicht einmal der Trailboss der Truppe. 15.000 Dollar Honorar hat der amerikanische Schauspieler bekommen, und nicht unbescheiden hat Leone über ihre Zusammenarbeit gesagt: "Man sagt, Michelangelo habe im Marmorblock seinen Moses gesehen. Als ich Clint Eastwood auswählte, sah ich in ihm den Marmorblock." Die übrigen Schauspieler des Films kamen aus Italien, Deutschland, Österreich und den USA, Sieghardt Rupp, der spätere "Tatort"-Zollfahnder Kressin, spielte einen Bösewicht, Marianne Koch die Frau, die Joe beschützen wird.
Und Leone brachte dem Western das Rauchen bei. Heute glaubt man es kaum, aber: in den "klassischen" Western wird nicht viel geraucht. Leone steckte dem Star seines Films einen Zigarillo in den Mund. Was natürlich in Großaufnahme im Zusammenhang mit dem ausdruckslosen Gesicht des amerikanischen Schauspielers besonders aufsehenerregend wirkte. Der Mann ohne Namen mit seinem Zigarillo im Gesicht ruhte in sich selbst, und der stoische Eastwood wurde zum Inbegriff des Lässigen im Kino. Eastwood sollte diese Leinwandausstrahlung weiter perfektionieren, in den zwei weiteren Filmen von Leones "Dollar-Trilogie", Für ein paar Dollar mehr (1965) und Zwei glorreiche Halunken (1966), aber auch in den Western, die er selbst mit sich in der Hauptrolle drehte, wie High Plains Drifter (1973) oder Pale Rider (1985).
Mit Für eine Handvoll Dollar hatte das Genre seine Unschuld verloren, es war vorbei mit dem Pioniergeist des Westens. Im spanischen Almeria entstanden die Westernstädte in einer wüstenartigen Landschaft, bevölkert von Banditen und korrupten Bankiers, mit brutalen Schießereien rund um Gold- oder Waffenschmuggel, Geschichten voller Hass und bar allen Pathos. Leichen pflastern seinen Weg hieß der deutsche Titel eines der bekanntesten Italo-Western, und reden machten die Filme vor allem auch durch ihre Gewaltexzesse. Hunderte solcher Western sind in den sechziger und siebziger Jahren entstanden, und mit dem Komiker-Duo Bud Spencer und Terence Hill lieferte der von vielen verächtlich genannte "Spaghetti-Western" sogar seine eigene Parodie. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns