DVD-Tipp: »Jim Jarmusch – The Complete Collection«
Vor vielen Jahren, als sich die DVD gerade als Medium etablierte, träumte der Filmkritiker Peter Buchka von einer schönen Zukunft, in der man das Gesamtwerk eines Regisseurs zur Hand nehmen kann, sich unabhängig von Kinospielplänen und Fernsehprogrammen nach Lust und Laune in die Welt eines Filmemachers versenken kann. So eine Gelegenheit bietet jetzt Arthaus mit der Veröffentlichung des vollständigen Werks von Jim Jarmusch in untertitelten Originalfassungen, was bei diesem Regisseur, für den schon die Sprache Poesie und Musik ist, besonders wichtig ist.
Seine Filme haben so schöne Titel wie Stranger Than Paradise, Permanent Vacation, Mystery Train, Night on Earth oder Only Lovers Left Alive, die immer wieder wie Songtitel klingen. Überhaupt fügen sich auf den Reisen, von denen sie erzählen, die Episoden aneinander wie die Strophen eines Songs. Erst in zweiter Linie dient die Sprache hier dem Austausch von Informationen, vor allem geht es um Stimmungen des Gefühls, um die Poesie des Klangs, die Melodie der Stimmen. Tasächlich gehörte die erste Liebe von Jarmusch der Musik, bevor er in Paris das Kino für sich entdeckt hat. Und natürlich ist es auch kein Zufall, dass er so häufig Musiker zu Darstellern macht, von John Lurie über Screamin’ Jay Hawkins und Tom Waits bis Iggy Pop, die allesamt eine ganz eigene, selbstvergessene Präsenz mitbringen.
Die Filme handeln von Außenseitern, meistens von Männern, die sich so wenig ins System einfügen wie ihr Regisseur, von Träumern und Driftern, die zugleich ruhelos und gelassen durch Amerika ziehen und von hier ausgehend den Radius längst auch weiterziehen, durch Europa in Night on Earth, durch Spanien in Limits of Control oder Marokko in Only Lovers Left Alive. »I don’t want a job, a house or taxes«, sagt der junge Held im New York des ersten Films, »let’s just say, I’m a certain kind of tourist, a tourist that is on permanent vacation«. Wenn man all diese Filme im Zusammenhang sieht, entwickeln sie wie ihre nachdenklich und somnambul driftenden Helden einen ganz eigenen Rhythmus. Wiederkehrende Fahrten im Zug, auf einem Boot im Bayou oder im Auto auf den Landstraßen sorgen für einen gleichmäßigen Fluss. Kleine Begegnungen am Rande, merkwürdige Koinzidenzen geben den komischen und poetischen Absurditäten des Lebens Raum. Und dann gibt es das Netz der Freunde und Weggefährten, das sich durch diese Filme zieht, all die Darsteller, die in kleinen Rollen am Rande auftauchen, nur um irgendwann mal im Zentrum zu landen. John Lurie in den frühen Filmen wird später abgelöst von Roberto Benigni und Isaach De Bankolé, es stoßen Tilda Swinton dazu und Bill Murray, allesamt Schauspieler, die allein schon durch ihre Präsenz Geschichten erzählen. Am wortkargen Stoizismus dieser Männer beißen sich die Frauen die Zähne aus, Ellen Barkin, die in Down by Law wie ein Derwisch durch die Wohnung wütet, Paz de la Huerta, die in The Limits of Control nackt neben Isaach De Bankolé liegt, der bei der Arbeit dem Sex aber leider konsequent entsagt, Julie Delpy, die in Broken Flowers unter den müden Blicken von Bill Murray weiterzieht...
Im Bonusmaterial von Down by Law erzählt der Kameramann Robby Müller 23 Minuten lang von seiner Zusammenarbeit mit Jarmusch, von der Einfachheit der Mittel, die sie beide schätzen, ganz ohne eitle Kameraakrobatik, die nur ablenken würde, ohne Zwischenschnitte, die den Lauf des Lebens unnötig unterbrechen würden, oft sogar ganz ohne Farbe, die manchmal überflüssig ist wie bei einem Gedicht, das sich ja auch nur auf das Nötigste beschränke. In Down by Law spielt Jarmusch mit den Elementen des klassischen, amerikanischen Kinos und führt sie zugleich ad absurdum: Nur weil es um einen Gefängnisausbruch geht, heißt das ja noch lange nicht, dass man ihn auch zeigen muss! Und wenn man sich dann die Telefonate anhört, die Jarmusch viele Jahre nach dem Dreh mit seinen drei Hauptdarstellern führt, dann übermittelt sich sehr viel über die Art, wie diese Filme entstehen.
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Filme: Permanent Vacation - Stranger than Paradies - Down by Law - Mystery Train - Night on Earth - Dead Man - Year of the Horse - Ghost Dog - Coffee & Cigarettes - Der Weg des Samurai - Broken Flowers - The Limits of Control - Only Lovers Left Alive
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