Kritik zu Die Chroniken von Narnia – Prinz Kaspian von Narnia
In der Fortsetzung des Fantasy-Epos nach C.S. Lewis werden die vier Londoner Geschwister zurückberufen in die Wunderwelt von Narnia, wo inzwischen 1300 Jahre vergangen sind
Eigentlich sind sie ja Könige. In ihren Schuluniformen fühlen sich die vier wie im Exil. Doch dann öffnet sich eines angespannten Morgens beim Warten auf die nächste Bahn in Trafalgar Square erneut eine Pforte in ihre zweite Heimat. Kaninchenloch, Bahnsteig neundreiviertel, und nun ein U-Bahn-Schacht, der zum Strand führt: angelsächsische Autoren finden stets großartige Einstiege in fantastische Welten. Überdies haben in dieser Fortsetzung von C. S. Lewis' siebenteiligem »Narnia«-Epos die unterschiedlichen Geschwindigkeiten von Narnia- und London-Zeit aparte Folgen. In einem Jahr Abwesenheit sind die Besucher, die Narnia einst als frisch gekrönte Majestäten verließen, zu frustrierten Teenagern geschrumpft. In Narnia dagegen sind 1300 Jahre verstrichen; sie stoßen in rosenumrankten Ruinen auf Statuen und Fresken, in denen ihre Heldentaten gefeiert werden: Zwerge auf den Schultern von Riesen.
Die Narnianer sind denn auch etwas enttäuscht über die Milchgesichter, die sie aus alten Sagen kennen und die durch den Hilferuf eines magischen Horns von Prinz Kaspian zurückgeholt wurden. Der Prinz gehört zwar zum Menschenvolk der Telmaraner, die zwischenzeitlich die Narnia-Ureinwohner fast ausgerottet haben. Doch auf der Flucht vor den Meuchelmördern des machtgierigen Lord Miraz verbündet sich Kaspian mit der ungezähmten Waldguerilla.
Das 140 Minuten lange Fantasy-Märchen wendet sich mit seinen actionbetonten Schlachten nun an ältere Kinder. Der grobe Ablauf dieser Rückkehr der Könige und Königinnen ist nicht nur für »Herr der Ringe«-Kenner vorhersehbar. Gedreht wurde erneut vorwiegend in Neuseeland, und auch hier marschieren Bäume, ist jeder Zwerg ein bärtig-barscher Wurzelsepp; die computeranimierte Menagerie wirkt jedoch glaubwürdiger als im Vorgängerfilm. Diesmal – Winterhexe Tilda Swinton hat lediglich einen Kurzauftritt als eiskalte Versuchung – verbünden sich alle Waldbewohner gegen den im Gleichschritt marschierenden Feind. Das ist auch ein Echo auf die Entstehungszeit des Epos, zumal bereits der Filmbeginn mit Soldaten in der U-Bahn auf die Weltkriegsepoche verweist. So erinnert der Kampf der vielgestaltigen, pelzigen Fabelwesen mythologisch-heidnischer Prägung – neben Zwergen, Zentauren, Minotauren auch für Komik zuständige sprechende Kleintiere – gegen die gleichgeschaltete, hochgerüstete Blecharmee weniger an aktuelle Kriege als an die britische Verteidigung gegen das »Dritte Reich«.
In Ausstattung und Setdesign orientiert sich der »Prinz Kaspian« noch stärker als bereits der erste Teil am nostalgischen »Ivanhoe «-Ritterroman und den Präraffaeliten. So ist zwar Klein Lucy als träumerisch-verklärte, marianische Wald-Madonna ziemlich albern. Doch insgesamt passt der romantische Rahmen zum Abschied von der Kindheit, den die älteren Geschwister vollziehen müssen. Er verleiht den Abenteuerferien in Narnia diesmal ein melancholisches Flair, das sie von der Fantasy-Konkurrenz unterscheidet.
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