Interview mit Nick Broomfield über »Whitney: Can I Be Me«
Mr. Broomfield, kennt man Ihre anderen Filme über früh verstorbene Musikikonen, »Kurt & Courtney« und »Biggie & Tupac«, ist man bei »Whitney: Can I Be Me« überrascht, dass er so anders aussieht. Sie inszenierten Sich selber dabei, den Protagonisten Ihrer Filme zu folgen und beim Versuch, sie zum Reden zu bringen. War die Andersartigkeit von »Whitney: Can I Be Me« von vornherein so geplant oder hat sich das erst im Lauf der Produktion durch bestimmte Umstände ergeben?
Ich habe über dreißig Filme gemacht – einige Spielfilme und viele Dokumentarfilm, in denen ich manchmal selber auftrete. Ich bin ein Geschichtenerzähler und mag nicht jede Geschichte in derselben Form erzählen. Die Geschichte von Whitney Houston ist so dicht, erstreckt sich über einen langen Zeitraum, in dem so viele Menschen eine große Rolle spielten. Dieser Film sollte so persönlich wie möglich sein in Hinblick auf Whitney – ihr Film. Wenn ich selber im Film aufgetreten wäre, wäre das kontraproduktiv gewesen.
Zu welchem Zeitpunkt Ihrer Arbeit an dem Film haben Sie davon erfahren, dass noch eine andere Whitney-Houston-Dokumentation im Entstehen ist?
Nach einigen Monaten.
Dieser »offizielle« Film über Whitney Houston wird von Ihrem Landsmann Kevin Macdonald (»Marley«) gedreht. Haben Sie sich je mit ihm darüber ausgetauscht?
Wir haben eine Reihe von Emails ausgetauscht, wo wir britisch-höflich waren. Ich kenne Kevin und seine Arbeit, er hat einige tolle Filme gemacht.
Sie haben in Ihrem Film viele Interviews mit Menschen, die Whitney durch ihre Arbeit nahestanden – ihre Entourage. Haben Sie dabei den Eindruck gewonnen, dass einige von ihnen mitschuldig sind an ihren Tod – indem sie weggeschaut haben? Das zumindest meint ja Whitneys britischer Bodyguard, der recht offenherzig spricht.
Die Art und Weise, wie Whitneys Familie mit ihren Drogenproblemen umging, war, sie zu ignorieren und wenn jemand es zur Sprache brachte, ihn loszuwerden. Das setzten sie fort bis zu Whitneys Tod – sie liebten das Geld und den Lebensstil. Ich denke, es ist sehr vielsagend, als Oprah Cissy Houston fragt, »was wäre, wenn Whitney in den achtziger Jahren ein Drogenproblem gehabt hätte?« und sie antwortet, »Ja, das hat Robin behauptet.« Sie schiebt die Schuld also von sich.
Im Vorspann heißt es: »Regie: Nick Broomfield und Rudi Dolezal«. Sie haben Material verwendet, das er während ihrer Europatournee aufgenommen hat, nicht zuletzt in seiner Heimatstadt Wien.
Er hat ja nicht nur ihre Bühnenshows gefilmt, sondern auch die Szenen mit ihr und Bobby Brown backstage, etwa, als sie Ike & Tina Turner spielen. Dieses Material, das er selber mit einer ganz kleinen Kamera aufgenommen hat, fand ich so unglaublich, dass ich meine, seine Nennung als Ko-Regisseur ist gerechtfertigt. Diese Szenen verleihen dem Film Intimität und Authentizität.
Sind Sie auf ihn und sein Material bei Ihren vorbereitenden Recherchen gestoßen – oder wie kamen Sie in Kontakt mit ihm?
Er war unglaublich schwer zu finden – vielleicht wollte er auch nicht gefunden werden, denn viele andere Leute hatten ihm schon sehr viel Geld für sein Material geboten, etwa Clive Davis, der Chef von Whitneys Plattenfirma. Aber er hat das immer abgelehnt, weil er eine kreative Partnerschaft wollte – ich denke, die habe ich ihm geboten. Er war jedenfalls sehr glücklich mit dem Final Cut.
Haben Sie mit ihm darüber gesprochen, warum sein eigener Film über Whitney Houston nicht zustande kam? Gab es möglicherweise Druck von außen auf ihn?
Das sollten Sie ihn selber fragen – ich möchte nicht in seinem Namen sprechen.
Gab es denn Personen, die sich weigerten, für Ihren Film ein Interview zu geben?
Der einzige war Clive Davis. Rudi hatte ihn allerdings verschiedene Male interviewt. Ich denke, Clive Davis hatte eine Verantwortung für Whitney. Als er seine Vision umsetzte, aus ihr eine Pop-Ikone zu machen, hat er offenbar nicht bedacht, welche Auswirkungen das auf sie haben würde.
Besteht die Gefahr, dass die Familie von Whitney Houston gegen die Herausbringung dieses Films vorzugehen versucht?
Das haben sie schon getan. Sie haben versucht, Rudi Dolezal zu verklagen, aber das Gericht hat dem nicht stattgegeben. Dann haben sie versucht, die Premiere beim Tribeca Film Festival zu verhindern mit der Begründung, es würden musikalische Copyrights verletzt. Aber auch das erwies sich als falsch. Jedenfalls haben sie versucht, uns das Leben so schwer wie möglich zu machen.
Wären Sie mehr daran interessiert, die gegenwärtige Situation in den USA zum Thema eines Films zu machen oder aber die in Großbritannien?
Ich lebe in den USA, weil ich die britische Politik derzeit ziemlich deprimierend finde. Ich bin ein Unterstützer der Europäischen Union und mag diese Idee »Wir sind eine kleine Insel und wollen für uns bleiben« gar nicht.
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