Kritik zu Millions Can Walk

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2013
Original-Titel: 
Millions Can Walk
Filmstart in Deutschland: 
02.10.2014
V: 
L: 
88 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Ein langer Marsch für die Menschenwürde: Der Filmessay von Christoph Schaub und Kamal Musale erzählt vom gewaltlosen Widerstand der unterdrückten indischen Landbevölkerung

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Die Lage von Millionen landloser und vertriebener Bauern, darunter traditionellen Lebensformen verbundene Nachfahren der indischen Ureinwohner, spielt kaum eine Rolle in der Wahrnehmung des Subkontinents durch die westliche Welt. Landraub und Vertreibungen, der Staat als Handlanger von Firmen, die Bodenschätze ausbeuten und dabei die Nutzflächen der Subsistenzbauern zerstören – Tausende von Selbsttötungen bezeugen die verzweifelte Situation dieser Menschen. Die soziale Basisbewegung »Ekta Parishad« mit ihrem Gründer und Leiter Rajagopal P. V. setzt sich – den Ideen Mahatma Gandhis und damit dem Prinzip der Gewaltlosigkeit verpflichtet – seit 1991 für die Verbesserung der Lebensbedingungen ein. Mit dem langen »Marsch der Gerechtigkeit«, der im Oktober 2012 Zehntausende von Gwalior 400 Kilometer in die Hauptstadt Delhi führte, konnte der Regierung eine 10-Punkte-Vereinbarung abgerungen werden, die unter anderem die Zuweisung von Bau- und Ackerland, ein Bleibe- und Nutzungsrecht für die Waldbewohner der Adivasi sowie Schutz vor Vertreibungen und damit ein Minimum an sozialer und rechtlicher Sicherheit beinhaltet.

Der Schweizer Regisseur Christoph Schaub wollte, angeregt unter anderem durch die friedlichen Revolutionen im arabischen Raum, den gewaltlosen Widerstand der indischen Bauern und den Kampf um ihre Rechte dokumentieren. Als nach umfassenden Recherchen die Dreharbeiten beginnen sollten, wurde ihm von den indischen Behörden ohne Begründung die Einreise verweigert, trotz eines gültigen Visums. Die Aufnahmen wurden dem schweizerisch-indischen Filmemacher Kamal Musale übergeben – eine Situation, die Christoph Schaub als eine »berufliche Grenz­erfahrung« bezeichnet, weil sie ihm »den emotionalen und filmischen Zugang zu den Protagonisten und Ereignissen« verwehrte. Dem Film ist diese Regie »per Fernbedienung« (Schaub) und am Schneidetisch allzu deutlich anzusehen. Schaub ist bemüht, das Material zu einem komplexen Geflecht aus Bildern vom Marsch der Hunderttausend, aus Interview­passagen und Szenen aus der Lebens- und Arbeitswelt seiner Protagonisten zu montieren. Doch wirken die Bilder wie zufällig ausgewählt und zeigen allzu oft das Gleiche, wie auch in den Gesprächen und Statements die Forderungen der Aktivisten mehrfach wiederholt werden. Der Informationsgehalt von Millions Can Walk vermittelt sich dabei oft über den aus dem Off eingesprochenen Kommentar, eine für einen Filmessay unbefriedigende Lösung.

Dennoch gelingt es dem Film an einigen Stellen, eine Ahnung von der Reformdynamik der indischen Gesellschaft zu vermitteln. Etwa wenn Landwirtschaftsminister Jairam Ramesh von der Kongresspartei, der mit den Forderungen der Demonstranten durchaus sympathisiert, ganz ohne Ironie darauf hinweist, dass in der 5000 Jahre langen indischen Geschichte Veränderungen schon immer ihre Zeit gebraucht hätten: »Zeit ist in diesem Land Ewigkeit.« Schließlich bedeute in Hindi das Wort »kal« zugleich »gestern« und »morgen«.

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